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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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werde Sie anrufen und Sie an Ihr Tagebuch erinnern
. Das war vor einigen Stunden. Jetzt wird mir klar, dass er mir das Handy gegeben hat, damit er mich anrufen kann, ohne dass Ben das mitbekommt. Er hat sogar etwas in der Art gesagt.
Neulich hab ich angerufen, und Ben hat sich gemeldet. Das könnte unangenehm werden. So ist es einfacher
. Ich nahm es, ohne Fragen zu stellen.
    Ich habe mich an Ben erinnert. Mich erinnert, dass ich ihn geliebt habe. Er wird bald kommen. Vielleicht werde ich später, wenn wir zu Bett gehen, mein Versäumnis von gestern Abend gutmachen. Ich fühle mich lebendig. Trunken vor Möglichkeiten.

Dienstag, 13. November
    Es ist Nachmittag. Bald wird Ben von einem weiteren Arbeitstag nach Hause kommen. Ich sitze hier mit diesem Tagebuch vor mir. Ein Mann – Dr. Nash – hat mich gegen Mittag angerufen und mir gesagt, wo ich es finde. Als er anrief, saß ich im Wohnzimmer, und zuerst glaubte ich ihm nicht, dass er wusste, wer ich war.
Schauen Sie in den Schuhkarton im Kleiderschrank
, sagte er schließlich.
Dort finden Sie ein Tagebuch
. Ich glaubte ihm nicht, aber er blieb in der Leitung, während ich nachsah, und er hatte recht. Da war mein Tagebuch, eingepackt in Seidenpapier. Ich nahm es heraus, als wäre es zerbrechlich, und dann, nachdem ich mich von Dr. Nash verabschiedet hatte, blieb ich vor dem Schrank knien und las es. Jedes Wort.
    Ich war nervös, wusste aber nicht, wieso. Das Tagebuch kam mir irgendwie verboten vor, gefährlich, doch das lag vielleicht nur an der Sorgfalt, mit der ich es versteckt hatte. Ich blickte immer wieder von den Seiten auf und sah auf die Uhr, schloss es einmal sogar rasch und packte es wieder ein, als ich draußen vor dem Haus ein Auto hörte. Aber jetzt bin ich ruhig. Ich schreibe dies in dem Erker des Schlafzimmers. Das fühlt sich irgendwie vertraut an, als wäre es ein Ort, an dem ich oft sitze. Ich kann die Straße entlangsehen, in die eine Richtung auf eine Reihe hoher Bäume, hinter der ein Park zu erahnen ist, in die andere auf eine Häuserreihe und eine weitere, stärker befahrene Straße. Ich mache mir klar, dass ich, selbst wenn ich beschließe, das Tagebuch vor Ben geheim zu halten, nichts Schlimmes zu befürchten habe, falls er es entdeckt. Er ist mein Mann. Ich kann ihm vertrauen.
    Ich lese erneut von der Aufregung, die ich gestern auf dem Nachhauseweg empfand. Sie ist verschwunden. Jetzt fühle ich mich zufrieden. Ruhig. Autos fahren vorbei. Dann und wann sind Schritte zu hören, ein Mann, der vor sich hin pfeift, oder eine junge Mutter mit ihrem Kind auf dem Weg in den Park und später wieder zurück. In der Ferne ein Flugzeug im Landeanflug, es scheint fast auf der Stelle zu stehen.
    Die Häuser gegenüber sind leer, die Straße still bis auf den pfeifenden Mann und das Bellen eines unglücklichen Hundes. Die Unruhe des Morgens mit seiner Sinfonie von zufallenden Türen und halbgerufenen Abschiedsgrüßen und anspringenden Motoren ist vorüber. Ich fühle mich allein auf der Welt.
    Es fängt an zu regnen. Dicke Tropfen klatschen gegen das Fenster vor meinem Gesicht, bleiben einen Moment haften und beginnen dann zusammen mit weiteren ihre langsame Rutschpartie die Scheibe hinunter. Ich lege eine Hand an das kalte Glas.
    So viel trennt mich vom Rest der Welt.
    Ich lese von dem Besuch in dem Haus, in dem ich mit meinem Mann gewohnt habe. Sind diese Worte wirklich erst gestern aufgeschrieben worden? Ich habe nicht das Gefühl, dass sie von mir stammen. Ich lese auch von dem Tag, an den ich mich erinnert habe. Dass ich meinen Mann geküsst habe, in dem Haus, das wir gemeinsam gekauft hatten, vor langer Zeit – und wenn ich die Augen schließe, kann ich es wieder sehen. Zunächst nur trübe, unscharf, doch dann flimmert das Bild und klärt sich, wird schlagartig und mit einer fast überwältigenden Intensität scharf. Mein Mann und ich, wie er mir die Kleider vom Leib reißt. Wie Ben mich umschlungen hält, seine Küsse drängender werden, tiefer. Ich erinnere mich, dass wir den Fisch nicht aßen, den Wein nicht tranken; stattdessen blieben wir, nachdem wir uns geliebt hatten, so lange im Bett, wie wir konnten, unsere Beine verschlungen, mein Kopf auf seiner Brust, seine Hand mein Haar streichelnd, trocknendes Sperma auf meinem Bauch. Wir schwiegen. Glück umhüllte uns wie eine Wolke.
    »Ich liebe dich«, sagte er. Er flüsterte, als hätte er die Worte vorher noch nie gesagt, und obwohl er sie doch schon zahllose Male ausgesprochen haben

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