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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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irgendeinem Haus in irgendeiner Stadt sein können.
    »Vielen Dank, dass wir uns bei Ihnen umsehen dürfen«, sagte Dr. Nash.
    »Ach, Unsinn!«, sagte sie mit einem gezierten Prusten. Ich stellte sie mir im Pferdesattel vor oder beim Arrangieren von Blumen.
    »Haben Sie viel verändert, seit Sie hier wohnen?«, fragte er.
    »So einiges«, sagte sie. »Wie das so ist.«
    Ich betrachtete den gebürsteten Holzboden und die weißen Wände, das cremefarbene Sofa, die modernen Kunstdrucke an einer Wand. Ich dachte an das Haus, das ich heute Morgen verlassen hatte; der Unterschied hätte größer nicht sein können.
    »Wissen Sie noch, wie der Raum aussah, als sie eingezogen sind?«, fragte Dr. Nash.
    Sie seufzte. »Nicht mehr richtig, leider. Hier lag Teppichboden. Hellbraun, glaube ich. Und die Wände waren tapeziert. Irgendwas mit Streifen, wenn ich mich nicht irre.« Ich versuchte, mir den Raum so vorzustellen, wie sie ihn beschrieben hatte. Nichts tat sich. »Außerdem war da ein Kamin, den haben wir ausbauen lassen. Heute bedaure ich das. Der war noch original.«
    »Christine?«, sagte Dr. Nash. »Kommt Ihnen irgendetwas bekannt vor?« Ich schüttelte den Kopf. »Könnten wir uns vielleicht den Rest des Hauses ansehen?«, fragte er Amanda.
    Wir gingen nach oben. Es gab zwei Zimmer. »Giles arbeitet viel zu Hause«, erklärte sie, als wir in das Zimmer gingen, das nach vorn lag. Es wurde von einem Schreibtisch, Aktenschränken und Büchern dominiert. »Ich glaube, die Vorbesitzer hatten hier ihr Schlafzimmer.« Sie sah mich an, aber ich sagte nichts. »Es ist ein bisschen größer als der andere Raum, aber Giles kann hier nicht schlafen. Wegen des Straßenlärms.« Eine Pause entstand. »Er ist Architekt.« Wieder sagte ich nichts. »Das ist ein ziemlicher Zufall«, sprach sie weiter, »weil der Mann, von dem wir das Haus gekauft haben, auch Architekt war. Wir haben ihn kennengelernt, als wir es uns angesehen haben. Giles und er haben sich gut verstanden. Ich glaube, nur aufgrund dieser Gemeinsamkeit haben wir es ein paar Tausend günstiger bekommen.« Wieder eine Pause. Ich fragte mich, ob sie auf Glückwünsche wartete. »Giles ist dabei, sich selbstständig zu machen.«
    Ein Architekt
, dachte ich.
Kein Lehrer wie Ben
. Das können also nicht die Leute sein, denen er das Haus verkauft hat. Ich versuchte, mir den Raum mit einem Bett vorzustellen anstelle eines Schreibtisches mit Glasplatte, mit Teppich und Tapete anstelle von abgeschliffenen Dielen und weißen Wänden.
    Dr. Nash sah mich an. »Irgendwas?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts. Ich erinnere mich an gar nichts.«
    Wir schauten in das andere Zimmer, das Bad. Nichts kam mir bekannt vor, also gingen wir wieder nach unten, in die Küche. »Möchten Sie nicht vielleicht doch eine Tasse Tee?«, fragte Amanda. »Es macht wirklich keine Umstände. Geht ganz schnell.«
    »Nein, danke«, sagte ich. Der Raum war grell. Kantig. Die Einbauschränke waren chromfarben und weiß, und die Arbeitsplatte sah aus wie aus gegossenem Beton. Nur eine Schale mit Limetten sorgte für ein bisschen Farbe. »Ich denke, wir sollten dann gehen«, sagte ich.
    »Natürlich«, sagte Amanda. Ihre muntere Resolutheit schien wie weggeblasen, stattdessen wirkte sie jetzt enttäuscht. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Sie hatte offensichtlich gehofft, dass ein Besuch in ihrem Haus das Wunder meiner Heilung bewirken würde. »Könnte ich ein Glas Wasser haben?«, fragte ich.
    Sofort hellten sich ihre Züge auf. »Selbstverständlich!«, sagte sie. »Ich hol Ihnen eins!« Sie gab mir ein Glas Wasser, und in dem Moment, als ich es aus ihrer Hand nahm, sah ich es vor mir.
    Amanda und Dr. Nash waren verschwunden. Ich war allein. Auf der Arbeitsplatte sah ich einen rohen Fisch, nass und glänzend, auf einer ovalen Platte liegen. Ich hörte eine Stimme. Eine Männerstimme. Es war Bens Stimme, dachte ich, aber irgendwie jünger. »Weißwein?«, sagte sie, »oder einen Roten?«, und ich drehte mich um und sah ihn in die Küche kommen. Es war dieselbe Küche – in der ich mit Amanda und Dr. Nash stand –, aber die Wände waren anders gestrichen. Ben hielt in jeder Hand eine Flasche Wein, und er war derselbe Ben, nur dünner, mit weniger Grau in den Haaren, und er hatte einen Schnurrbart. Er war nackt, und sein Penis war halb erigiert, wippte komisch bei jedem Schritt. Seine Haut war glatt, spannte sich über den Muskeln von Armen und Brust, und ich spürte jähe Lust in mir

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