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Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.

Titel: Ich. Darf. Nicht. Schlafen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. J. Watson
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und Vorsätzen, jemand, der etwas erreicht hatte. Ich rannte die Treppe hinunter.
    War es wahr? Am Morgen hatte Ben mir nichts davon gesagt. Nichts darüber, dass ich Schriftstellerin gewesen war. Am Mittag hatte ich von unserem Ausflug zum Parliament Hill gelesen. Dort hatte er mir erzählt, dass ich als Sekretärin gearbeitet hatte, als der Unfall passierte.
    Ich sah das Bücherregal im Esszimmer durch. Wörterbücher. Ein Atlas. Ein Heimwerkerbuch. Ein paar Romane, Hardcover und dem Aussehen nach wohl ungelesen. Aber nichts von mir. Nichts, was vermuten ließ, dass ein Roman von mir veröffentlicht worden war. Ich wirbelte herum, halb verrückt.
Es muss hier sein
, dachte ich.
Es muss
. Doch dann kam mir ein anderer Gedanke. Vielleicht war meine Vision gar keine Erinnerung, sondern eine Erfindung. Vielleicht hatte sich mein Verstand in Ermangelung einer echten Geschichte, die er bewahren und durchdenken konnte, seine eigene erschaffen. Vielleicht hatte mein Unterbewusstsein beschlossen, dass ich Schriftstellerin war, weil ich immer eine hatte werden wollen.
    Ich rannte wieder nach oben. Die Regale im Arbeitszimmer waren mit Aktenordnern und Computerhandbüchern gefüllt, und ich hatte in keinem der Schlafzimmer Bücher gesehen, als ich am Vormittag das Haus erkundete. Ich blieb einen Moment stehen, dann sah ich den Computer vor mir, still und dunkel. Ich wusste, was ich zu tun hatte, obwohl ich nicht wusste, woher ich das wusste. Ich schaltete ihn an. Er erwachte unter dem Schreibtisch summend zum Leben, und einen Augenblick später wurde der Monitor hell. Eine anschwellende Fanfare aus den knisternden Lautsprechern seitlich am Bildschirm, und dann tauchte ein Bild auf. Ein Foto von Ben und mir, beide lächelnd. Mitten über unsere Gesichter zog sich ein Kästchen.
Benutzername
stand darin, und darunter war ein weiteres.
Passwort
.
    Im meiner Vision hatte ich blind geschrieben, meine Finger waren fast instinktiv über die Tasten geflogen. Ich manövrierte den blinkenden Cursor in das Eingabefeld für den Benutzernamen und hob meine Hände über die Tastatur. War es wahr? Hatte ich tippen gelernt? Ich legte meine Fingerspitzen auf die erhabenen Buchstaben. Sie bewegten sich mühelos, meine kleinen Finger fanden die Tasten, über die sie gehörten, die übrigen taten es ihnen gleich. Ich schloss die Augen und begann zu schreiben, ohne groß zu überlegen, lauschte nur auf das Geräusch meines eigenen Atems und das Klickern der Tasten. Als ich fertig war, sah ich mir an, was ich geschrieben hatte, was in dem Eingabefeld stand. Ich erwartete sinnloses Zeug, aber was ich sah, schockte mich.
    Stanleys Expeditionszug quer durch Afrika wird von jedermann bewundert
.
    Ich stierte auf den Bildschirm. Der korrekte Übungssatz, in dem alle Buchstaben des Alphabets vorkommen. Es war wahr: Ich konnte blind tippen. Vielleicht war meine Vision doch keine Erfindung, sondern eine echte Erinnerung.
    Vielleicht hatte ich einen Roman geschrieben.
    Ich lief ins Schlafzimmer. Es ergab keinen Sinn. Einen Moment lang wurde ich beinahe von dem Gefühl überwältigt, den Verstand zu verlieren. Der Roman schien zu existieren und gleichzeitig nicht zu existieren, real zu sein und zugleich völlig imaginär. Ich hatte keinerlei Erinnerung daran, wusste nichts über seine Handlung, seine Figuren, wusste nicht mal, warum ich ihm diesen Titel gegeben hatte, und doch kam er mir real vor, als pulsierte er in mir wie ein Herz.
    Und warum hatte Ben mir nichts davon erzählt? Warum stand nicht deutlich sichtbar ein Exemplar davon herum? Ich stellte es mir vor, irgendwo im Haus versteckt, in Seidenpapier eingeschlagen, in einer Kiste auf dem Dachboden oder im Keller. Warum?
    Eine Erklärung kam mir in den Sinn. Ben hatte mir erzählt, dass ich als Sekretärin gearbeitet hatte. Vielleicht konnte ich deshalb tippen. Vielleicht war das der einzige Grund.
    Ich fischte eines der Handys aus meiner Tasche, achtete nicht darauf, welches ich griff, achtete kaum darauf, wen ich anrief. Meinen Mann oder meinen Arzt? Beide kamen mir gleichermaßen fremd vor. Ich klappte es auf und blätterte das Menü durch, bis ich einen Namen entdeckte, den ich wiedererkannte, dann drückte ich die Anruftaste.
    »Dr. Nash?«, sagte ich, als sich jemand meldete. »Ich bin’s, Christine.« Er wollte etwas sagen, doch ich schnitt ihm das Wort ab. »Hören Sie. Hab ich je irgendwas geschrieben?«
    »Wie bitte?«, fragte er. Er schien perplex zu sein, und einen kurzen Augenblick

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