Ich darf nicht vergessen
interessiert mich nicht.
Das wird sich ändern, sobald das Kind da ist. Das habe ich schon oft genug erlebt.
Ja, so sagt man. Ich vermute eher, dass ich James das Kind übergeben und es ihm überlassen werde, mit der Situation umzugehen.
Sie interessieren mich. Nicht viele Menschen denken so, und noch weniger würden es offen zugeben.
Ich spreche in der Regel aus, was ich denke.
Ja. Das merke ich. Und ich vermute, dass Sie nicht viel Geduld mit Menschen haben, die das nicht tun.
Da vermuten Sie richtig.
Dann springt deine Erinnerung plötzlich vor zur Geburt, die drei Wochen vor dem errechneten Termin stattfand. Es gab Probleme mit Marks Lunge. Er war ganz pelzig und über und über mit Käseschmiere bedeckt. Ein winziges, rotes, keuchendes Geschöpf. Er war dein Patient, bevor er dein Kind wurde, was den Ãbergang leichter machte.
Natürlich hast du ihn gestillt, um seine Abwehrkräfte zu stärken. In dieser Hinsicht hast du deine Pflicht getan, obwohl es dir lästig war und noch dazu schmerzhaft. Es widerstrebte dir, dich mehrmals täglich aussaugen zu lassen, eine Vorstellung, die dir mehr zugesetzt hat, als du erwartet hättest.
Als er drei Monate alt war, hast du ihn abgestillt, und als deine Brüste aufhörten, bei der geringsten Reizung auszulaufen, bist du wieder in deinen Beruf zurückgegangen. Zu dem Zeitpunkt hast du Ana eingestelltâ die alles tat, was eine gute Mutter tun würde. Du warst keine gute Mutter. Und doch hing Mark an dir wie eine Klette. Und sechs Jahre später war es mit Fiona dasselbe. Bis dahin hatte Amanda ihre Versuche eingestellt, schwanger zu werden, und eingesehen, dass es zwecklos war.
Wann hast du Amanda das letzte Mal gesehen? Du kannst dich nicht erinnern. Du akzeptierst, dass sie nicht mehr da ist. Sie gehen alle, einer nach dem anderen. James. Peter. Sogar die Kinder. Eine Diaspora. Aber irgendwie schöpfst du daraus Kraft. Jeder Verlust macht dich stärker, mit jedem Verlust wirst du mehr du selbst. Wie ein Rosenstrauch, den man beschneidet, damit die Blüten im nächsten Jahr gröÃer und kräftiger werden. Wessen wirst du nicht alles fähig sein ohne diesen Ballast?
Du hast eine Vision: Amanda, hier auf dem Boden, ihr Herz gebrochen, ihre Augen noch offen. Der Brauch, den Toten die Augen zu schlieÃen, ist dir immer lächerlich vorgekommen. Das macht man natürlich für die Lebenden, die möchten, dass die Toten sich anständig benehmen, dass der Tod aussieht wie Schlaf. Aber für Amanda gibt es kein Ausruhen. Sie liegt auf dem Rücken, die Hände zu Fäusten geballt, als wollte sie sich in einen Kampf stürzen. Ihre Beine sind gespreizt. Denkst du dir das aus? Denn es sind noch andere im Zimmer, ihre Schatten zucken. Worte werden gesprochen. Musst du das tun? Ja, ich muss. Dann beeil dich.
In deinem Kopf wirbeln abstruse Bilder umher, manche bunt, manche schwarzweiÃ. Es ist, als würdest du Filmszenen vor dir ablaufen sehen, die von einem Wahnsinnigen aufgenommen wurden. Ein Haufen abgehackter Hände auf einem weiÃen Strand, dahinter das türkisfarbene Meer. Dein Elternhaus in Philadelphia in Flammen. Ich bin wirklich komplett verrückt. Hier. Hier war es also. Du siehst die Reste der gelben Kreidemarkierungen im Staub. Was Amanda niemals ertragen hätte.
Deine schmutzigen nackten FüÃe hinterlassen Abdrücke. Schuhe. Du brauchst Schuhe. Amanda war gröÃer und kräftiger als du, aber ihr hattet dieselbe SchuhgröÃe. Einundvierzig. Wearing boxes without topses â so groÃe FüÃe, dass leere Heringskisten als Sandalen hätten dienen können.
Du gehst die Treppe hoch zu ihrem Zimmer und findest ein strenges blaues Kleid mit einem Gürtel und rote Ballerinas. Du versuchst, dir das Gesicht zu waschen, aber es kommt kein Wasser aus dem Hahn. Also spuckst du auf ein Handtuch und reibst dir den schlimmsten Dreck ab. Dann legst du dich auf Amandas Bett.
Aber bevor du einschläfst, kommt Peter zu Besuch. Er steht am Fenster und verhindert, dass das Mondlicht ins Zimmer fällt. Was hast du nur getan?, fragt er. Warum hast du das getan? Er hat den Garten umgegraben. Seine Knie sind ganz schwarz von der feuchten Erde. Er hält eins von Fionas buntesten Schneckenhäusern in der Hand. Im SchweiÃe deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Du schwitzt. Genug,
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