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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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mal, wo sind überhaupt Ihre Sachen? Ich kann Ihnen helfen, einen Platz zu finden.
    Ich weiß nicht, sagst du. Wahrscheinlich sind sie zu Hause.
    Sie haben ein Zuhause?
    Natürlich. In der Sheffield Avenue.
    Das ist eine richtig schöne Straße. Wo wohnen Sie denn in der Sheffield Avenue?
    Nummer 2153. Einen Block hinter der St. Vincent’s-Kirche.
    Diese Gegend kenn ich. Da haben Sie also ein Haus, aha. Und warum sind Sie dann hier, mitten in der Nacht? Ohne Schuhe?
    Ich wollte ein bisschen frische Luft schnappen, sagst du. Aber jetzt, wo er dich fragt, bist du dir nicht mehr so sicher. Das Gesicht des Mannes beschäftigt dich so sehr, dass es alles andere überlagert. Seine Nase, sein Mund. Der Schmutz in den tiefen Lachfalten um seine Augen. Ein kleiner blauer Fleck an seinem Wangenknochen. Die Haarbüschel, die unter seiner Mütze hervorlugen. Ein nicht unsympathisches Gesicht. Ein fähiges Gesicht. Aber wessen nicht alles fähig?
    Was ist mit Ihrer Familie?
    Die sind alle tot, sagst du. Meine Mutter. Mein Vater. Alle tot.
    Mann, das ist aber hart. Echt hart. Meine Verwandten sind auch alle tot. Ich hab irgendwo eine Schwester, aber die redet nicht mehr mit mir.
    Er zieht tief an seiner Zigarette, wirft die Kippe weg, tritt sie mit seinem Schuh aus.
    Hey, meinen Sie, wir könnten zu Ihnen gehen? Ich würd echt gern mal wieder in ’nem richtigen Bett schlafen. Ein Bett ohne Vorschriften.
    Wir haben ein Gästezimmer, sagst du.
    Perfekt. Ich würd gern Ihr Gast sein. Das wär echt prima. Er steht auf, klopft sich die Hose ab und wartet.
    Du stehst auch auf. Dir tun die Füße weh. Ein leichtes Brennen am Knöchel. Kannst du gehen? Ja, kannst du. Aber du bist plötzlich sehr müde.
    Kennen Sie den Weg?, fragst du.
    Na klar. Das ist mein altes Revier. Und auch das von Antoine. Warten Sie, ich hol ihn. Der würd sich auch über ein Gästezimmer freuen.
    Ich habe nur ein Gästezimmer. Aber in dem steht ein Doppelbett.
    Also, ich könnte mir was Schlimmeres vorstellen, als mir mit dem alten Andy ein Bett zu teilen. Ich geh ihn schnell holen. Warten Sie hier. Er geht los, dreht sich alle paar Schritte um, wie um sich zu vergewissern, dass du nicht wegläufst.
    Du tust, was er von dir verlangt. Du bist dankbar, dass jemand das Kommando übernommen hat. James hast du das nie überlassen. Du scheinst alt zu werden. Alt. Der Wunsch, Verantwortung abzugeben. Andere agieren, entscheiden, vorangehen zu lassen. Ist das so, wenn man alt wird?
    Plötzlich ist der Mann wieder da. Bei ihm ist ein zweiter Mann, ein schmächtiger Typ. Sauberer als der andere, aber sein Gesicht ist weniger offen.
    Nach kurzem Zögern fragst du den Größeren: Sind Sie mein Mann?
    Wie bitte?
    Wie lange sind wir schon verheiratet?
    Der kleine Mann lacht. Wenn die tatsächlich ein Haus in der Sheffield hat, hast du vielleicht einen richtigen Glückstreffer gelandet.
    Ja, aber was ist, wenn sie doch Familie hat?
    Du hast doch gehört, was sie gesagt hat. Die sind alle tot.
    Ja, aber die ist komplett lala. Wir haben doch keine Ahnung, was mit der los ist.
    James?, sagst du.
    Der kleine Mann antwortet. Ja?
    Nein, sagst du. Nicht du. James.
    Der andere Mann zögert. Ja?
    James, ich möchte nach Hause.
    Okay, Schätzchen. Der Mann sieht seinen kleinen Freund an und zuckt die Achseln. Was hab ich zu verlieren?, fragt er. Also gut, sagt er zu dir. Gehn wir. Sheffield Avenue, wir kommen.
    S tunden später, wie es dir scheint, kommt ihr endlich bei deinem Haus an. Du machst das Törchen auf. Die Männer treten zur Seite und warten darauf, dass du vorausgehst. Im Vorgarten steht ein Schild. VERKAUFT . Alles ist dunkel. Keine Gardinen an den Fenstern.
    Du gehst zur Haustür und drehst den Knauf. Abgeschlossen. Du drückst die Klingel. Du klingelst noch einmal. Du schlägst mit der Faust gegen die Tür. James!, rufst du. Jemand packt dich von hinten am Arm. Schsch! Wollen Sie die Nachbarn aufwecken? Daran hast du gar nicht gedacht. Richtig. Die Nachbarn. Du tastest die Oberkante des Türrahmens ab. Nichts.
    Hat sie keinen Schlüssel?
    Anscheinend nicht. Der größere Mann geht die Stufen hinunter und rüttelt an einem der Fenster im Erdgeschoss. Es lässt sich nicht öffnen. Er versucht es bei einem anderen. Inzwischen bist du in den Vorgarten gegangen. Du drehst Steine um. Du weißt, dass der Ersatzschlüssel hier irgendwo versteckt ist. Du hast ihn

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