Ich darf nicht vergessen

der gleiche, viereckige Vorgarten, und es steht, ebenso wie mein Haus, zwischen anderen Backsteinhäusern, eins ist gut in Schuss, das andere, wie meins, ein bisschen heruntergekommen. Keine Gardinen an den Fenstern. Ein Verkauft-Schild im Vorgarten.
    Was ist das?, frage ich.
    Mein Haus. Mein neues Haus. Ist das nicht unglaublich? Ich versuche, ihr das Foto abzunehmen, um es genauer betrachten zu können, aber sie sträubt sich, es loszulassen. Ich muss daran ziehen, um es in die Hände zu bekommen. Sie beugt sich zu mir vor, als wollte sie es auf keinen Fall aus den Augen lassen.
    Es ist in Hyde Park. In der Fifty-sixth Street. Ganz in der Nähe des Campus. Ich kann mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
    Das ist unheimlich, sage ich. Die Ähnlichkeit.
    Ja, das dachte ich auch. Natürlich habe ich zu viel dafür bezahlt. Ich muss noch jede Menge daran machen lassen. Aber solche Häuser kommen nicht oft auf den Markt. Ich musste mich schnell entscheiden.
    Ich betrachte das Haus. Es könnte fast meins sein, das Fenster könnte fast mein Schlafzimmerfenster sein, das schmiedeeiserne Tor könnte fast das Tor zu meinem Garten sein.
    Wann ziehst du ein?
    Tja, das ist ein bisschen kompliziert. Der Vertragsabschluss wurde verschoben. Wegen Amanda. Sie hatte bei der Bank für mich gebürgt.
    Und warum ist das ein Problem? Hat sie es sich anders überlegt?
    Nein. Nein, natürlich nicht.
    Und?
    Fiona schweigt eine Weile. Dann: Ich habe mich entschlossen, sie nicht damit zu belasten.
    Warum hast du dich denn nicht an mich gewendet? Oder an deinen Vater?
    Fiona dreht eine rotbraune Locke um ihren Zeigefinger. Ich weiß nicht. Ich wollte nicht, dass ihr euch verpflichtet fühlt. Es ist ja alles gutgegangen. Ich konnte das Geld auftreiben.
    Na ja, du weißt ja, falls du Hilfe brauchst…
    Ja, ich weiß. Ihr seid immer so großzügig.
    Bei Mark ist das natürlich etwas ganz anderes. Dein Vater und ich trauen seinem Urteil nicht, was Geldangelegenheiten angeht.
    Ich finde, du bist ihm gegenüber ein bisschen hart.
    Vielleicht, vielleicht.
    Ich habe ganz vergessen, dass ich das Foto immer noch halte, bis sie es mir aus der Hand nimmt, sorgsam faltet und wieder in ihre Tasche steckt. Dann zieht sie es wieder heraus, um es erneut zu betrachten, wie um sich zu überzeugen, dass es echt ist, so wie ich früher ihre kleinen Arme und Beine gestreichelt habe, wenn sie schlief, völlig erstaunt darüber, dass ich so ein vollkommenes Geschöpf hervorgebracht hatte.
    Mein Zuhause, sagt sie, so leise, dass ich die Worte kaum verstehe. Und sie lächelt.
    A us meinem Notizheft:
    Gestern habe ich mir die David Letterman-Show angesehen. Also, ihm zu Ehren:
    DIE 10 WICHTIGSTEN ANZEICHEN FÜR EINE ALZHEIMERERKRANKUNG
    10.Dein Mann stellt sich dir als dein » Pfleger« vor.
    9.Du findest einen Stundenplan an deinem Kühlschrank, der Aktivitäten auflistet wie » Spazierengehen«, » Häkeln« und » Yoga«.
    8.Alle schenken dir Kreuzworträtselhefte.
    7.Fremde benehmen sich plötzlich sehr liebenswürdig.
    6.Alle Türen sind von außen abgeschlossen.
    5.Du bittest deinen Enkel, dich mit auf den Schulabschlussball zu nehmen.
    4.Deine rechte Hand weiß nicht, was deine linke tut.
    3.Pfadfinderinnen kommen dich besuchen und zwingen dich, mit ihnen zusammen Blumentöpfe zu bemalen.
    2.Du entdeckst immer mehr neue Zimmer in deinem Haus.
    Und die Nr.1 auf der Liste der Anzeichen für Alzheimer… ist dir irgendwie entfallen.
    W enn ich bloß durch den Nebel sehen könnte. Wenn meine Glieder nicht so schwer wären. Jeder Atemzug schmerzt. Meine Hände liegen schlaff in meinem Schoß. Sie sind blass und nutzlos. Dabei konnten sie einmal mit glänzenden, scharfen Dingen umgehen, schönen Dingen mit Gewicht, die Macht verliehen.
    Menschen legten sich hin und präsentierten mir ihr nacktes Fleisch. Ließen sich von mir Gliedmaßen amputieren. So dich aber deine Hand ärgert, so haue sie ab! Es ist dir besser, dass du als ein Krüppel zum Leben eingehest, denn dass du zwei Hände habest und fahrest in die Hölle, in das ewige Feuer.
    S chreiben Sie über sich, drängt Magdalena mich. Wenn es hilft, schreiben Sie in der dritten Person. Erzählen Sie mir von einer Frau, die Jennifer White heißt.
    Sie ist ziemlich reserviert. Manche würden sie als kalt bezeichnen. Andere wussten diese Charaktereigenschaft zu schätzen, sahen