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Ich darf nicht vergessen

Ich darf nicht vergessen

Titel: Ich darf nicht vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice LaPlante
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Freund erlitt einen Nervenzusammenbruch und ist nach West Virginia zurückgegangen, zurück zu seinen Eltern. Er hat ein paarmal geschrieben, hat sich über die mageren Hunde und die hässlichen Frauen in seinem Heimatort amüsiert, aber das war’s dann auch schon. Zwei von meinen anderen Freunden taten sich als Paar zusammen und zogen sich in ihre Privatwelt zurück, schotteten sich von uns anderen ab. Irgendwie habe ich das persönlich genommen.
    Damals wohnte ich außerhalb des Campus zur Untermiete bei dieser Marketingtussi aus Silicon Valley. Sie war die meiste Zeit nicht da, entweder auf Reisen oder bei ihrem Freund. Das Haus lag mitten in den Redwoods, auf einem Hügel oberhalb der Uni.
    Wenn mich Freunde besuchten, haben sie sich draußen in den Whirlpool gesetzt und Riesenspaß gehabt, aber ich konnte mich nie an das Haus gewöhnen. Die Stille da oben war mir unheimlich, und ich fand es schrecklich, dass die Sonne um zwei Uhr nachmittags hinter dem Hügel verschwand und dann der Tag plötzlich vorbei war.
    Koyoten liefen durch den Garten, unter dem Holzfußboden und in den Hohlräumen in den Holzwänden scharrten Ratten, und selbst die Hirsche jagten mir einen Schrecken ein. Die kamen in den Garten und bis dicht ans Haus, um zu äsen, und da es keine Vorhänge an den Fenstern gab – das Haus stand allein mitten im Wald, es wurden also keine gebraucht –, passierte es immer wieder, dass wiederkäuende Hirsche ins Fenster glotzten, wenn ich wach wurde.
    Deswegen habe ich immer mehr Zeit unten in Palo Alto verbracht. Ich hatte ein Lieblingscafé, da habe ich stundenlang gehockt und gelernt und einen Becher Kaffee nach dem anderen getrunken. Ich war inzwischen im Hauptstudium, und meine Profs meinten, ich könnte durchaus eine akademische Karriere anstreben. Und weil ich das unbedingt wollte, hockte ich fast jeden Abend in dem Café über meinen Büchern.
    Wie üblich saß ich eines Freitagabends dort, aufgeputscht vom Koffein und mutterseelenallein und voller Angst, wieder in dieses einsame Haus ohne Vorhänge zu gehen. Ich hatte mich gerade damit abgefunden, dass mir nichts anderes übrig bleiben würde, als eine nette junge Frau – nur ein kleines bisschen älter als ich – an meinen Tisch kam. Sie wollte wissen, was ich da lernte – vielleicht Mathe? Mehr oder weniger, sagte ich, und wir kamen ins Gespräch darüber, was es mit Wirtschaftswissenschaften auf sich hat und wozu das Fach gut ist.
    Nach einer Weile zeigte sie auf einen jungen Mann, der an einem Tisch in der Nähe saß, und sagte, Wir gehen auf eine Party in Santa Cruz, willst du nicht mitkommen? Ich dachte, wie merkwürdig. Und ich war mir nicht sicher, ob diese Leute mir gefielen. Irgendwie waren sie allzu kontaktfreudig. Die Zähne der Frau blitzten ein bisschen zu sehr in ihrem Mund, wenn sie lächelte. Aber dann sagte ich mir verwegen: Verdammt, warum nicht?
    Sie wollten, dass ich mein Auto stehen lasse, und versprachen, mich nach der Party wieder zurückzubringen. Da hätte ich eigentlich schon misstrauisch werden müssen. Aber ich bin eingestiegen, und dann fuhren sie den Hügel rauf, auf dem ich wohnte.
    Ich sagte, Moment mal, hier geht’s doch gar nicht nach Santa Cruz, aber sie meinten nur, sie würden einen Schleichweg fahren, es sei eine schöne Strecke. Aber ich hatte genug von schöner Natur und außerdem das Gefühl, eine große Dummheit begangen zu haben, und deswegen bat ich sie, mich einfach vor dem Haus, in dem ich wohnte, aussteigen zu lassen – wir fuhren gerade durch meine Straße –, ich würde mein Auto am nächsten Morgen abholen.
    Aber sie weigerten sich. Sagten, Nein, du kommst schön mit. Ich war wütend und hatte zugleich große Angst. Mir kam die verrückte Idee zu warten, bis sie in einer scharfen Kurve langsamer fahren mussten, und einfach rauszuspringen, aber als es so weit war, stellte ich fest, dass sie die Kindersicherung betätigt hatten. Also habe ich still abgewartet, was kommen würde.
    Wir erreichten ein altes Ranchhaus oben in den Bergen von Santa Cruz – wo, weiß ich immer noch nicht genau –, und dort war noch so ein armes Ding wie ich, das sie in Santa Clara aufgelesen hatten. Wir standen alle in einem Zimmer, und auf einmal kam ein Mann, der dieses andere Mädchen und mich in der » Familie« willkommen hieß. Er sagte, wir sollten

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