Ich darf Sie nicht lieben, Miss Jessica
schüttelte energisch den Kopf.
„Etliche Jahre jünger“, erklärte sie bestimmt. „Mitte zwanzig, würde ich sagen. Und mir kam er ganz bestimmt nicht vor wie ein Aristokrat.“
„Immerhin haben wir nun einen Anhaltspunkt“, erwiderte Matt. „Ich werde ein paar diskrete Nachforschungen anstellen, damit ich dem Burschen wenigstens dafür danken kann, dass er meine ungehorsame Schwester zurückgebracht hat.“
Er duckte sich, um dem Samtkissen auszuweichen, das im nächsten Moment über seinen Kopf segelte. „Miserabel gezielt!“, erklärte er gut gelaunt und grinste Jessica übermütig an. „Anscheinend waren meine Versuche, dir Kricket beizubringen, eine einzige Zeitverschwendung.“
3. KAPITEL
Nachdem er das Pferd in einem nahe gelegenen Mietstall untergestellt hatte, machte sich der kürzlich aus der Armee entlassene Dragonermajor und bisherige Honourable Benedict Ashcroft, nunmehr neunter Earl of Wyvern, auf den Weg zur Stadtresidenz seiner Familie am Grosvenor Square.
Er war eben in die South Audley Street eingebogen, als er jemanden seinen Namen rufen hörte.
„Ashcroft, du bist es tatsächlich! Hier drüben, alter Junge!“
Benedict sah sich suchend um. Am gegenüberliegenden Straßenrand entdeckte er eine schnittige Karriole, in deren begeistert zu ihm herüberwinkendem Fahrer er seinen ehemaligen Waffenkameraden Freddy Fitzallan erkannte. Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht, während Benedict zurückwinkte und sich geschickt einen Weg durch den lebhaften Verkehr bahnte, um seinen Freund zu begrüßen.
„Wie schön, dich zu sehen, mein Lieber!“ Fröhlich grinsend lehnte Fitzallan sich vor und ergriff Benedicts ausgestreckte Hand. „Hätte nie erwartet, dich hier zu treffen, ehrlich. Du hast gerade erst deinen Abschied genommen, nicht wahr? Wo wolltest du hin? Spring rein, ich fahre dich.“
„Eigentlich lohnt es sich kaum, Freddy“, erwiderte Benedict und kletterte auf den Sitz neben seinen Freund. „Aber wenn du wirklich willst – ich war auf dem Weg nach Ashcroft House.“
Fitzallan ließ die Peitsche knallen und lenkte die Karriole mit beachtlicher Könnerschaft zurück in den dichten Straßenverkehr.
„Es tat mir so leid, als ich von der Sache mit Theo erfuhr“, sagte er und warf Benedict einen kurzen Blick zu. „Ich wollte es zuerst gar nicht glauben, dass jemand mit so viel Erfahrung so unvorsichtig mit einer Schusswaffe umgeht.“ Er schwieg einen Moment und setzte dann ein wenig verlegen hinzu: „Wir müssen uns wohl jetzt angewöhnen, dich mit Wyvern anzureden, nehme ich an.“
„Sieht ganz danach aus“, gab der neue Earl missmutig zurück. „Aber es ist wahrhaftig nicht das, was ich mir gewünscht hätte.“
Fitzallan nickte mitfühlend und räusperte sich. „Seit wann bist du zurück?“
„Ich kam heute früh in Tilbury an. Dort habe ich mir ein Pferd gemietet und bin schnurstracks zu unserem Rechtsbeistand nach Brentford geritten. Ich wollte mich über die Einzelheiten informieren, bevor ich mit meiner Großmutter spreche.“
„Wenn es etwas gibt, das ich für dich tun kann, lass es mich wissen, mein Lieber“, warf Fitzallan ein. „Du weißt, dass du nur zu fragen brauchst.“
„Sicher, Freddy.“ Benedict zwang sich zu lächeln. „Aber außer du hättest zufällig dreißigtausend Pfund übrig, gibt es nichts, das irgendwer für mich tun könnte.“
Fitzallan stieß einen leisen Pfiff aus. „Du lieber Himmel! Steht es wirklich so schlimm? Ich habe natürlich Gerüchte gehört, allerdings war mir nicht klar …“ Er verstummte und fuhr dann beinahe entschuldigend fort: „Meine Taschen sind leider leer, wie üblich. Ich musste mir gestern schon selbst etwas borgen, aber vielleicht kann Holt dir helfen. Du weißt ja, er ist stinkreich, unser guter alter Simon.“
Benedict schüttelte den Kopf. „War nur ein Witz, mein Lieber. Ich käme nicht im Traum auf den Gedanken, einen von euch anzupumpen. Abgesehen davon wäre es ohnehin zwecklos. Ich wüsste nicht, wie ich ein Darlehen dieser Größenordnung zurückzahlen sollte.“
In aller Kürze erstattete er Fitzallan Bericht von seinem Treffen mit Mr. Humphreys, dem Anwalt der Familie, ohne auf die unrühmlichen Details vom Untergang seines Bruders Theo einzugehen.
Soweit Benedict es Mr. Humphreys’ knappen Ausführungen entnommen hatte, war sein Bruder in den zwei Jahren nach dem Kutschenunfall, der seine Frau und seinen kleinen Sohn das Leben gekostet hatte, der Trunksucht
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