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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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heimlichen Verdacht, ich sei ein Genie. Die These stammte von mir allein und wurde durch niemanden unterstützt, aber was machte das schon? Missverstanden zu werden gehörte dazu. Mein Vater sagte gelegentlich »Schlaumeier« zu mir, aber irgendwann ging mir auf, wie das gemeint war.
    »He, Schlaumeier - schmierst dir wohl Mayonnaise ins Gesicht, weil du das Insektenspray nicht finden kannst.«
    »He, Schlaumeier, du glaubst wohl, du kannst auf deinem Zimmer Marshmallows im Toaster rösten?«
    Solche Sachen.
    Ich dachte, ich könnte Diabetes dadurch heilen, dass ich Kaugummistreifen mit Sonnenmilch bestrich. Juicy fruit mit Nivea, Erdbeer mit Delial. Ich hatte die Rohstoffe, und ich hatte eine Testperson, beides unter einem Dach.
    »He, Schlaumeier«, sagte mein Vater, »biete deiner Großmutter noch einmal eins von den Kaugummis an, und du bist derjenige, der seine Zähne im Waschbecken putzt.«
    Was verstand der schon davon?
    Allein auf meinem Zimmer betrachtete ich Bilder von intelligenten Männern und suchte nach einem gemeinsamen Merkmal. Es gab einen untrüglichen Schlaumeier-Ausdruck, nur war er gar nicht so leicht hinzukriegen. Wenn man seinen Kamm in den Müll warf, sah man entweder aus wie Albert Einstein oder wie Larry Fine. Beide trugen zerknitterte Anzüge, beide streckten dem Betrachter die Zunge entgegen, aber nur einer bewies echtes Genie in Filmen wie Booty und das Biest und Die drei Stooges in: Haut den Herkules.
    Meine Noten gingen in den Keller, die Lehrer lachten mir ins Gesicht, aber ich versuchte mir aus alledem nichts zu machen. Auf der High School liebäugelte ich mit dem Gedanken, ich könnte ein philosophisches Genie sein. In meinen Augen und denen mehrerer Freunde war es geradezu erschreckend, wie ich mich in die Psyche fremder Leute hineinversetzen konnte. Ich übte, mir gedankenschwer die Brille von der Nase zu nehmen, und stellte mir einen Auftritt bei einer Sonntagvormittag-Show im Fernsehen vor, wo ich unter lauter schlauen Männern saß und meine dunklen und radikalen Theorien über das menschliche Dasein erläuterte.
    »Die Menschen sind unsicher«, würde ich sagen. »Sie verstecken sich hinter Masken und spielen einander was vor.«
    Meine Gedanken würden wie Dämonen aus Gewölben der Unterwelt hervorschwärmen, und meine Gesprächspartner, bestürzt über die Wahrheit und die Tragweite meiner Erkenntnisse, würden ihre Verbreitung mit allen Mitteln zu verhindern suchen.
    »Genug davon!« würden sie rufen. »Um Gottes willen, bringen Sie diesen Mann zum Schweigen!«
    Weit beängstigender als jede meiner Ideen ist die Tatsache, dass ich vermutlich mit siebzehn auf dem Höhepunkt meiner intellektuellen Fähigkeiten stand. Ich hätte mich damals testen lassen sollen, bevor ich das bisschen Verstand, das ich besaß, verspielt hatte. Als ich dreißig wurde, hatte sich mein Gehirn unter dem wechselnden Einfluss von Drogen, Alkohol und den chemischen Lösungsmitteln, mit denen ich an meinem Arbeitsplatz zu tun hatte, weitgehend verflüchtigt. Dennoch gab es immer noch Augenblicke, an denen ich wider alle Vernunft glaubte, ich sei ein Genie. Ausgelöst wurden diese Momente nicht durch irgendeine besondere Leistung, sondern durch Kokain und Methylamphetamine Drogen, die es einem erlauben, einen kompletten Wochenlohn per Strohhalm in die Nasenschleimhaut zu jubeln und dabei zu denken: »Mein Gott, bin ich klug.«
    Es sind die kleinen Dinge im Leben, die mir Mut zusprechen. Beispielsweise wenn ich mir im Kino einen Film ansehe, in dem eine attraktive Frau im Sport-Top, ein gutaussehender Witwer und zwei unscheinbare Weichlinge vor einer Riesenechse oder Besuchern aus einer fremden Galaxis flüchten. »Die beiden Weichlinge müssen dran glauben«, denke ich, und wenn es dann tatsächlich so kommt, beglückwünsche ich mich zu meinem Scharfsinn. Der Satz: »Mein Gott, war das vorhersehbar«, aus meinem Mund, klingt klug und weitsichtig. Wenn andere ihn sagen, klingt er einfach nur blöd. Man mag mich für allzu spitzfindig halten, aber so sehe ich das nun mal.
    Zuletzt war es einfach nur Neugierde, die mich zur Teilnahme an dem Intelligenztest veranlasste. Banale, dumme, grausame Neugierde, wie sie kleine Jungen dazu bringt, Fliegen die Flügel auszureißen. Ich absolvierte den Test in Paris, im Keller einer Schule für Maschinenbau ganz in der Nähe meines Apartments. Ich hatte mir überlegt, dass mein Ergebnis für sich genommen nichts bedeuten würde und ich eine Vergleichsperson

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