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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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von Stadt zu Stadt, um dort die »traditionellen Vachette-Spiele« zu bestreiten. Ich stutzte ein wenig bei dem Wort traditionell, da ich mir schwer vorstellen konnte, dass Autoschläuche schon seit Ewigkeiten dazugehörten und gar nicht mehr wegzudenken waren. Ich habe keinen Schimmer, wer sich die »traditionellen Vachette-Spiele« hat einfallen lassen, aber ich wette, er hatte einschlägige Drogenerfahrungen. Wie sonst kommt einer auf so etwas? Bei einem Spiel ging es unter anderem darum, eine Zierschleife vom Kopf einer Vachette zu pflücken, und ein anderes schien sich lediglich darum zu drehen, das Tier zu beschimpfen. Die einzigen, die offenbar die Regeln kannten, waren die Vachettes, deren einfache Parole zu lauten schien: angreifen, angreifen, angreifen. Erst beim sechsten Spiel des Nachmittags gab es unter den Mitspielern endlich zwei Verletzte. Aus völlig unerfindlichen Gründen hatte man inmitten der Manege ein Wasserbecken aufgebaut, indem man eine riesige Plastikplane über ein Karree aus Heuballen gezogen hatte. Anschließend hatte ein Tankwagen das Becken gefüllt, und die Mitspieler hatten versucht, die letzte Vachette irgendwie ins Wasser zu lotsen. Das Tier hingegen hatte die Mehrheit seiner Gegner kauernd hinter den Barrikaden gehalten, bis wenige Minuten vor Schluss ein junger Mann mit Schlapphut sich aus der Deckung vorwagte. Die Vachette tat so, als blicke sie in die entgegengesetzte Richtung, wo eine Herde Kühe friedlich graste, um plötzlich mit gesenktem Kopf vorzupreschen, ihren Widersacher am Gesäß zu packen und ihn mit ihren langen, geschwungenen Hörnern durch die Luft zu wirbeln. Als ich den jungen Mann zu Boden gehen sah, griffen meine Hände unwillkürlich nach den Knien von Hugh und dem pensionierten Dachdecker. Ich krallte mich daran fest und stieß gleichzeitig einen spitzen Schrei wie ein Kaninchen aus. Ein zweiter Mitspieler rannte aufs Feld, um das Tier abzulenken, doch auch ihn stieß die Vachette zu Boden, drehte sich dann noch einmal um und verpasste ihm ein paar flinke Tritte, die dem jungen Mann zwei Rippen brachen. Das Tier schien bereit, ihm den Bauch aufzuschlitzen, was vermutlich auch so gekommen wäre, wenn seine Besitzer es nicht zurück in den Anhänger hätten locken können.
    Die Tatsache, dass der Dachdecker meine Hand von seinem Knie lösen musste, beweist, dass meine innere Vachette nicht annähernd so bösartig war, wie ich geglaubt hatte. Die Veranstaltung war beendet. Ich saß zitternd auf der Tribüne und beobachtete die Wettstreiter, die sich um den Bierstand drängten und jedem, der es sehen wollte, ihre Blessuren präsentierten. Der Stoß in den Allerwertesten war nur halb so schlimm, wie ich mir vorgestellt hatte. Der Betroffene musste die Hose herunterlassen, um seine Verletzung vorzuführen, die aus wenig mehr als einem hellroten Ratscher gleich neben der Kerbe bestand. Sein Kumpel mit den gebrochenen Rippen zuckte leicht zusammen, beschloss aber, erst am nächsten Morgen im Krankenhaus vorbeizuschauen. Er und seine Freunde genossen es, für kurze Zeit im Mittelpunkt zu stehen, und wollten dieses Vergnügen keinesfalls unnötig verkürzen. Im Kreis ihrer bewundernden Nachbarn ließen sie die dramatischsten Situationen des Nachmittags noch einmal aufleben und fachsimpelten darüber, was sie beim nächsten Mal anders machen würden. Sie tranken und lachten und waren immer noch fleißig zugange, als Hugh und ich später am Abend zum Feuerwerk wiederkamen. Es war keine große Sache. Ich hatte schon aufwendigere Pyrotechnik bei der Eröffnung von Supermärkten gesehen, aber das Publikum war wohlwollend und tat so, als sei es eine beeindruckende Darbietung. Zwischen dem zaghaften Ploppen von Leuchtkugeln und dem Zischen der Raketen hörten wir das klagende Brüllen der Vachettes aus dem in der Nahe geparkten Hänger. Sie würden am nächsten Morgen weiterreisen, um ihr hitziges Gemüt auf einem anderen Fest in der Provinz auszutoben, wo ein anderes Set von Figuren sich abends vor der rausgeputzten Spielzeugkulisse ihres Dorfes versammeln, mit den Händen in den Himmel zeigen und ihre »Ahhhs« und »Ohhhs« flüstern würde.
    Der Zwischenfall auf dem Rummel in Paris hatte in mir den Verdacht aufkommen lassen, mein Vachometer zeige womöglich einen höheren Wert an als bei anderen Leuten; ich hatte daher jetzt mit Erleichterung festgestellt, wie ich den beiden jungen Männern die Daumen gedrückt hatte, als es für sie in der Arena brenzlig wurde. Ihre

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