Ich ein Tag sprechen huebsch
verdienen, wohingegen mir offen gestanden alles scheißegal ist. Für mich ist das Boxen lediglich ein Zeitvertreib, bis ich mein Medizinexamen in der Tasche habe und mein AIP antrete. Die Box-Welt fühlt sich von meinem offenkundigen Mangel an Leidenschaft geprellt, doch die Presse liebt mich. Die Berichterstatter sind völlig außer sich, weil ich Weißer bin und sie in ihren Artikeln ihre rassistischen Vorurteile raus lassen können, ohne sich offen dazu bekennen zu müssen. Menschen, denen normalerweise jeder Gedanke an Gewalt fremd ist, sind plötzlich bereit, eine Ausnahme zu machen. Selbst die Mennoniten rennen in die Wettbüros und beantragen Mitgliedschaft beim Pay-TV.
Fünf Tage vor dem Titelkampf findet die Öffentlichkeit heraus, dass ich einen Freund habe, der vielleicht nicht ganz wie Hugh aussieht, aber definitiv genauso gut kocht. Ich habe meine Homosexualität nie verheimlicht. Ich habe nie gelogen oder die Frage absichtlich umschifft, es hat mich einfach nie jemand offen danach gefragt. Für mich war es nie ein Staatsakt, aber die Neuigkeit scheint schlagartig alles zu verändern. Die, die mich zuvor liebten, weil ich ein Weißer war, fühlen sich nun betrogen. Sie hatten mich zu ihrem Repräsentanten auserkoren. Ich sollte in ihrem Namen einen Schwarzen vermöbeln, doch jetzt wissen sie nicht mehr, zu wem sie halten sollen. Was ist wichtiger, meine Hautfarbe oder meine sexuelle Präferenz?
Die Frage wird beantwortet, als Hassbriefe und Wagenladungen Stiefmütterchen vor meinem Trainingslager abgeladen werden, dem winzigen Refugium, wo ich Tau springe und dabei Vorlesungen über Koronarkollateralisation und Bandwurminfektionen auf Kassette höre. Beide Themen gehören nicht zu meinen Studienschwerpunkten, aber wie ich den Reportern vom Ring-Magazin mitteile: »Ich halte mich gern auf dem laufenden.«
Durch eine Klausel meines Vertrags bin ich dazu verpflichtet, Barbara Walters vor dem Fight ein Interview zu geben, was ich auch mache. Die ersten Minuten verlaufen in etwa so, wie ich es erwartet habe. »Was würden Sie tun, wenn Sie sich an einer Erdnuss verschluckten? Zeigen Sie uns doch bitte, wie ein echter Champ den Heimlich-Handgriff durchführt.«
Nachdem wir das übliche Geplänkel hinter uns haben, setzen wir uns rüber aufs Sofa, wo sie ihre Hände faltet und fragt, ob mir mein Coming-out schwergefallen sei.
In dem Moment weiß ich, dass ich Barbara Walters ganz bestimmt nicht helfen würde, wenn sie sich an einer Erdnuss verschluckte. Ich hasse die Art, in der das Wort out sexuell aufgeladen und für alles in Dienst genommen wird, was irgendwie mit Schwulsein zusammenhängt. Wenn out als Verb benutzt wird, fange ich gleich an zu hyperventilieren. Wenn die einen »geoutet« werden, müssten da nicht andere »geinnt« werden? Kann man sagen, jemand sei »geübert« oder »geuntert« worden?
Mein Interview mit der schwulen Presse verläuft in einem ähnlich gereizten Ton. »Nein«, erkläre ich, »ich werde nicht in eine regenbogenfarbene Flagge gehüllt in den Ring steigen.« Ich muss im Ausland gewesen sein, als sie sich darauf festgelegt haben. Anstelle des Regenbogens, der mir gänzlich verhasst ist, hätte ich viel lieber einen Totenkopf und zwei gekreuzte Knochen gehabt. Im Grunde verstehe ich nicht, warum ich überhaupt für irgendwen kämpfen muss. Wie wär's denn, wenn mal jemand den Weltmeistertitel im Schwergewicht für Hippokrates holte? Ohne es zu wollen, verscherze ich es mir bei so ziemlich allen, ausgenommen den Endokrinologen, und selbst unter denen fühlen sich einige durch eine Bemerkung bezüglich der Blutkalziumwerte bei Hypoparathyreoidismus ans Bein gepinkelt.
Es dürfte sich von selbst verstehen, dass ich den amtierenden Champion besiege, aber für das Geschehen im Ring habe ich mich nie groß interessiert. Ich blute ein bisschen, der andere Typ blutet viel, und das war's auch schon.
Wenn ich gar nicht einschlafen kann, schlage ich die Zeit damit tot, meinen Trainer und den genmanipulierten Hugh immer wieder neu zu besetzen. Anschließend feile ich noch ein wenig an meiner Rücktrittsrede und richte das Wartezimmer meiner Arztpraxis ein.
Ich habe ein Geheimnis
Ich bin eine hübsche, etwas pummelige Praktikantin, die eine kurze Affäre mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten hatte. Ohne eigenes Zutun geraten die Details an die Presse, so dass binnen Stunden Aufkleber mit der Aufschrift WIR SCHÄMEN UNS! oder EIN AMERIKANER, DER VON SEINEM
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