Ich ein Tag sprechen huebsch
Ashley hinterm Holzlager erwischt, und die ganze Stadt zerreißt sich das Maul darüber. Wenn sie könnte, würde sie zu Hause bleiben, aber Rhett Butler zwingt sie, in einem Kleid zu erscheinen, das schuldig schreit, aber gleichzeitig so umwerfend aussieht, dass man sich fragt, warum sie sich überhaupt so weit herabgelassen und mit Ashley Wilkes abgegeben hat.
In Anbetracht der zu erwartenden Aufmerksamkeit will jeder berühmte Modedesigner mich für den Auftritt vor der Grand Jury ausstatten. Zuletzt entscheide ich mich für einen jungen, noch völlig unbekannten Briten, dessen dezent extravagantes, großartig geschnittenes Kostüm meine neue Wespentaille hervorhebt. Meine Auswahl an Schmuck trifft genau die richtige Mischung aus Selbstsicherheit und Überheblichkeit und macht das Publikum zu einer Versammlung lüsterner Karrieristen und schockierter Anstandsdamen. Von dem Augenblick an, da ich den Gerichtssaal betrete, zweifelt niemand, dass ich die kühnste und bezauberndste Frau der Welt bin. Als ich in den Zeugenstand gerufen werde, sage ich nichts außer meinem Vor- und Nachnamen. Die Sitzungsprotokolle halten fest, dass die Antwort auf alle nachfolgenden Fragen »Sie machen wohl Scherze« oder »Ich sehe offen gesagt nicht, was Sie das angeht« lautet. Der Richter verachtet mich, wohingegen die Mode-Presse anerkennend bemerkt, meine Jacke habe weder gespannt noch Wellen geschlagen, als ich mit Handschellen hinter dem Rücken vorgeführt wurde.
Ich weiß nicht, wie viel Jahre sie jemandem aufbrummen können, der sich weigert, die Details einer Affäre zu enthüllen, aber ich denke, es können nicht mehr als ein oder zwei sein. Ich sitze meine Zeit in aller Stille ab, aber ich halte alle jene höflich auf Distanz, die von meiner Freundschaft profitieren wollen. Die Tatsache, dass der Präsident mich ins Gefängnis marschieren ließ, stößt vielen übel auf, und immer wieder versuchen Leute, die vermeintliche Quelle meiner aufgestauten Wut anzuzapfen. Doch auch jetzt bleibe ich stumm. Meine Zurückhaltung macht mich zu einer raren Ausnahmeerscheinung, einer Ikone. Mein Name wird zu einem feststehenden Begriff, nicht für eine billige Sex-Nummer, sondern für eine Frau, die außerordentliche Würde beweist, die zugleich schön, geheimnisvoll und ein bisschen gefährlich ist.
Nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis veröffentliche ich unter Pseudonym einen Roman. Das Buch ist Wort für Wort identisch mit Lolita, aber ich kann das Buch trotzdem schreiben, weil Vladimir Nabokov, im Reich meiner Phantasie, nie existiert hat. Das Buch ist so großartig, dass es einen Riesenwirbel auslöst. Reporter setzen sich auf die Fährte des Autors; als sie mir auf die Schliche kommen, denke ich: Ja, zum Donnerwetter, haben diese Leute eigentlich nichts Besseres zu tun? Ich stehe nun im Ruf eines würdevollen Enigmas und eines Genies, aber ich will nicht, dass die Leute Lolita lesen, nur weil ich es geschrieben habe. Mein Meisterwerk wird durch ihre sinnlose Suche nach einem verborgenen autobiographischen Subtext herabgesetzt, so dass ich das Schreiben wieder aufgebe, von dem Geld lebe, das ich durch geschickte Börsenspekulationen gewonnen habe, und für den Rest meiner Tage ein zurückgezogenes Leben führe und nur noch mit Profifußballern schlafe.
Beim Durchgang durch alle drei Episoden fallen einem unweigerlich einige Gemeinsamkeiten ins Auge. Das Aussehen scheint genauso von Bedeutung zu sein wie die Fähigkeit, eine große Zahl Menschen, offenbar immer Amerikaner, aufzuklären, zu enttäuschen oder zu beherrschen. In einer Stadt, in der jede Frau über Fünfzig blonde Haare hat, würde meine Mr. Science-Wunderseife die Pariserinnen in Schlangen bis nach Bethlehem anstehen lassen. Aber ich habe kein Interesse, die Franzosen zu manipulieren. Ich fühle mich ihrem Wertesystem nicht verbunden. Da es sich nicht um meine Landsleute handelt, ist ihr imaginiertes Lob wie ihre imaginierte Verdammung für mich gleichermaßen bedeutungslos. Paris, so scheint es, ist der Ort, wo ich von Amerika zu träumen begonnen habe.
Meine ausgefeilten Tagträume tun immer sehr großherzig, sind es aber nicht wirklich. Ich gebe den einen, damit ich es anderen vorenthalten kann. Es ist schön, die Leukämie zu besiegen, aber unendlich befriedigender ist die Vorstellung, wie die Opportunisten, die durch meine Weigerung zu kooperieren vor den Kopf gestoßen werden, angekrochen kommen. Indem ich mich als bescheiden, geheimnisvoll und
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