Ich ein Tag sprechen huebsch
hochintelligent darstelle, muss ich gleichzeitig der Wahrheit ins Gesicht sehen, im tatsächlichen Leben keine dieser Eigenschaften zu besitzen. Niemand träumt von Dingen, die er bereits hat. Ich bin mir nicht sicher, was unwahrscheinlicher ist: die Chance, einmal mit dem Präsidenten zu schlafen, oder die Hoffnung, eines Tages zu lernen, ein Geheimnis für mich zu behalten.
Es gibt noch andere Phantasien, in denen es um magische Kräfte, unermesslichen Reichtum und die Fähigkeit zu singen und zu tanzen geht. Obwohl ich die Mafia hypnotisieren und Tote nach Belieben auferstehen lassen kann, ist es mir ganz offensichtlich nicht gegeben, die Ringe unter meinen Augen zum Verschwinden zu bringen. Meine Geschichten bringen mir nicht den Schlaf, sie gestatten mir nur die Vorstellung, ein anderer zu sein, jemand, der nicht mit geweiteten Augen auf einer schweißgetränkten Matratze liegt, die Minuten dahinflappen sieht und auf das Heraufdämmern eines weiteren Tags ohne Alkohol wartet.
Ich esse, was der da tr ägt
Wir sitzen in einem netten Restaurant in Paris, essen zu Abend, und mein Vater erzählt eine Geschichte. »Und dann«, sagt er, »entdeckte ich dieses braune Dingsda in meinem Koffer und steckte es mir in den Mund, weil ich es für ein Stück Keks hielt.«
»Hatten Sie denn Kekse eingepackt?« fragt meine Freundin Maja.
Mein Vater betrachtet diese Frage als irrelevant und wischt sie mit einer Bemerkung beiseite: »Nicht, dass ich wüsste, aber ist doch auch egal.«
»Sie fanden also dieses Ding in Ihrem Koffer und haben es sich gleich in. den Mund gesteckt?«
»Na klar«, sagt er. »Was denn sonst? Aber die Sache ist...«
Er fährt mit seiner Geschichte fort, doch seine Zuhörer, mit Ausnahme meiner Schwestern und mir, kauen noch an einer Frage herum, die sich jeder vernunftbegabte Mensch einfach stellen muss. Warum steckt sich ein erwachsener Mann einen unbekannten Gegenstand in den Mund, noch dazu, wenn er von brauner Farbe ist und in einem selten benutzten Koffer entdeckt wird? Eine wirklich berechtigte Frage, die teilweise beantwortet wird, als der Kaffee kommt und mein Vater eine Handvoll Zucker in seiner Sakkotasche verschwinden lässt. Hätten meine Freunde die schwarze Banane auf meinem Bett gesehen, hätten sie die Geschichte meines Vaters vielleicht verstehen und um ihrer selbst willen genießen können. So allerdings war zuerst eine Erklärung vonnöten.
Solange ich mich zurückerinnern kann, hat mein Vater gesammelt Er sammelt Geld, er sammelt knorrige Wurzelstücke, die entfernt an die Gesichter von berühmten Leuten erinnern, vor allem aber sammelt er Essbares. Kirschtomaten, Löffelbiskuits, die Oliven aus fremden Martinigläsern; alle diese Dinge versteckt er an seltsamen Orten, bis sie vergammelt sind. Und dann isst er sie.
Lange Zeit hielt ich dies für allgemeinen griechischen Brauch, bis ich merkte, dass unser Wagen der einzige auf dem Parkplatz vor der Kirche war, den ständig Bienen umschwärmten. Mein Vater hatte Pfirsiche im Kofferraum versteckt. Er versteckte Feingebäck im Werkzeugschuppen und in der Waschküche und wunderte sich nachher, wo die vielen Ameisen herkamen. Selbst heute muss man nur das Schränkchen im Badezimmer meiner Eltern öffnen, um auf abgelaufene Sechserpackungen Sego zu stoßen, ein nach Kreide schmeckender Diät-Milch-Shake, der in den sechziger Jahren sehr beliebt war. Umgeben von zerlaufenen Nektarinen und steinharten Brötchen, lehnen die verbeulten und von feinem Mull überzogenen Kartons gegen das hässlichste Rasier-Set, das man je gesehen hat.
Es gibt Leute, die das Hamstern meines Vaters auf die Zeit der Depression zurückführen; meine Mutter gehörte nicht zu ihnen.
»Mumpitz«, sagte sie immer. »Mir ging es noch weit schlimmer als ihm, und ich verstecke keine Feigen.«
Die Anspielung auf Feigen kam nicht von ungefähr. Mein Vater versteckte sie, bis sie die Konsistenz von Teer angenommen hatten, nur warum machte er das? Niemand in unserer Familie hätte sich auch nur in die Nähe einer Feige begeben, ganz gleich, wie alt sie war. Kartoffelchips gab es nie in seinen Lebensmittelbunkern, genauso wenig wie Schokoladentafeln oder Marshmallow-Figuren. Die Frage, die uns die ganze Kindheit hindurch beschäftigte, war: Vor wem versteckt er das ganze Zeug? Abgesehen von den üblichen Insekten und den hungernden Menschen in Indien, über die laufend berichtet wurde, konnten wir nirgends potentielle Diebe ausmachen. Nie würde man unsere Nachbarn
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