Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
Vom Netzwerk:
die Autotür auf. Das weiß ich, denn obwohl ich ihre Taille noch nicht losgelassen habe, kann ich die schmutzigen Stiefel neben Miss Marys Schuhen sehen, die mindestens zwei Größen zu klein für ihre dicken Füße aussehen. Unterdrückt sie etwa ein Lachen?
    “Und Sie fahren bitte vorsichtig”, sagt er und wirft die Tür hinter uns zu. Wir klammern uns auf der Rückbank aneinander, als ob da immer noch Miss Marys Taille wäre.
    Nach alledem kann ich immer noch nicht sagen, was in dieser gefürchteten Schachtel eigentlich ist. Ich weiß nur, dass es das Gruseligste ist, was ich je in meinem ganzen Leben gesehen habe.

5. KAPITEL
    H eute ist Umzugstag, und ich gebe zu, Mama hat Recht: Ich bin so aufgeregt wie eine in einem Glas gefangene Biene. Emma hat das meiste gepackt, weil ich mich weigere, auch nur einen Finger für diesen Umzug zu krümmen. Ihr macht es nichts aus. Sie ist für ihr Alter ganz schön ordentlich. Sie bewahrt ihre Bilderbücher und Sticker in einem Stapel neben dem Bett auf, also muss sie diesen Stapel einfach nur in die Kiste packen, die Mama für uns hingestellt hat. Ich bin die Unordentliche von uns. Meine Sachen sind wie Kühe auf einer Wiese, widerspenstig und nicht leicht zusammenzutreiben. Immer wenn Emma gerade glaubt, alles eingepackt zu haben, taucht wieder etwas auf der Treppe auf. Oder auf der Matratze.
    Das Briefmarkenalbum wird zuletzt in die Kiste gepackt, weil ich es gerade studiere und versuche, mir die Reihenfolge der Länder zu merken, um mich von dem Umzug abzulenken.
    Seit Neuestem nennt Mama diesen Umzug einen idiotischen Fehler. Ich weiß nicht, was sie damit meint. Idiotischer Fehler. Wenn sie das Richard gegenüber sagt, fühlt es sich an, als würde sie plötzlich auf meiner Seite stehen. Aber wenn ich dann frage, was das bedeutet, scheucht sie mich weg. Momentan hat sie kaum noch Zeit für mich und Emma. Ihr Kopf ist ganz voll mit all den Details, die man bedenken muss, wenn eine vierköpfige Familie umzieht. Sie hat gesagt, dass wir nach dem Umzug
nicht
in eine neue Schule gehen werden, und ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll. Ich schätze, ich bin froh darüber, dann gibt es keinen Sonny mehr, der mich quält, und keine Mary Sellers, die mich anmeckert, aber ich habe keine Ahnung, wie wir dann Mamas Vorstellung nach etwas lernen sollen. Beim Lesen habe ich echte Fortschritte gemacht. Und Emma, die beginnt jetzt zu addieren und zu subtrahieren. Wenn sie nicht zur Schule geht, wird sie bestimmt schnell vergessen, wie das geht, und dann muss ich immer alles für sie ausrechnen. Mama sagt, ich soll nicht mehr davon anfangen, aber ich bin acht Jahre alt – Achtjährige gehen eben in die Schule, es ist unser
Job
, Himmel noch mal. Außerdem hatte ich mich gerade mit der Idee angefreundet, dass ich in einer neuen Schule vielleicht endlich beliebt sein könnte. Ich habe bereits geübt, wie ich den neuen Klassenkameraden erzähle, dass ich in der dritten Klasse zum beliebtesten Mädchen gewählt worden bin, und dann wollen alle meine Freundinnen sein. Emma scheint es egal zu sein, dass sie nicht mehr in die Schule soll. Sie ist eben cool, wie ich bereits sagte, und coolen Leuten ist es vollkommen schnuppe, was andere von ihnen denken. Deswegen sind sie ja cool.
    “Carrie, Emma”, ruft Mama von unten. “Kommt runter, hier gibt’ s noch einiges zu tun!”
    “Okay”, antworte ich für uns beide. Emma war in letzter Zeit ganz schön still, ich glaube, das hat mit Richard zu tun und damit, wie er die Tür hinter sich und ihr geschlossen hat. Als ob sie ein Geheimnis teilen, von dem ich nichts weiß. Er freut sich wie ein Schneekönig über dieses Geheimnis, aber Emma sieht so aus, als ob sie es nicht länger mit ihm teilen will. Sie ist aber total verschwiegen, nicht einmal mir verrät sie etwas, und kein Mensch auf der Welt steht ihr so nahe wie ich. Sie konnte Geheimnisse schon immer gut für sich behalten. Das ist auch ein Grund dafür, warum sie massenhaft Freunde hat.
    “Warum dauert das denn so lange?” Mama klingt verärgert.
    “Schon gut, schon gut”, sagt Emma. Wir klettern die Leiter vom Dachboden herunter, gehen dann über die richtige Treppe nach unten in die Küche, die Mamas Hauptquartier ist.
    “Wir müssen noch ein paar Kartons besorgen, also zieht eure Flip-Flops an”, sagt sie.
    Ich kann mich kaum noch daran erinnern, wie Mama war, bevor Richard sie in lauter kleine Stücke zerbrochen hat. Als ich einmal in einen Laden ging, um

Weitere Kostenlose Bücher