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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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Der Mann betrachtet uns von oben bis unten, dann flüstert er etwas zurück, und ich vermute, sie sind sich einig geworden.
    “Also wollt ihr zusammen reingehen, ja?” fragt er, nachdem er sich eine Minute lang gedankenvoll das Kinn gekratzt hatte.
    “Ja, Sir”, sagen wir wieder gleichzeitig.
    “Nun, ich glaube, das ist erlaubt. Lasst mich kurz nach hinten gehen und Bescheid sagen, dass ihr kommt.” Er wischt sich die Hände an der Schürze ab, die er um seine dünne Taille gebunden hat. In dem Laden steht eine Kühltruhe, in der Fleisch sein muss, denn die Schürze des Mannes hat rote Flecken. Oder es handelt sich um Blut aus der Schachtel!
    “Ich hab’ solche Angst”, flüstere ich Emma zu. Sie drückt meine Hand noch fester. “Ich weiß gar nicht, ob ich meine Beine bewegen kann.”
    Miss Mary beugt sich nach unten, um uns in die Augen blicken zu können. “Wenn ihr nicht mehr wollt, können wir sofort gehen.”
    Ich schüttle nur den Kopf und sehe, wie der Mann uns zu sich winkt, damit er nicht wieder den ganzen Weg zurückkommen muss, um uns zu holen.
    “Also gut dann.” Miss Mary richtet sich auf und tätschelt uns den Kopf. “Viel Glück, Mädchen. Ich werde die ganze Zeit hier sein, versteht ihr?”
    Ich weiß nicht, wie es mir gelingt, den ersten Schritt auf dem staubigen Boden zu machen, aber ich laufe auf eine Holztür zu, die sich zwischen den Regalen befindet, die die ganze Rückwand des Ladens einnehmen. Unsere Schritte sind winzig, die Tür bleibt ganz weit entfernt, obwohl wir uns doch darauf zu bewegen.
    “Guter Gott”, bete ich laut. “O lieber Gott, gib uns Kraft.”
    Emmas Griff wird härter, ich weiß nicht, wer von uns beiden so schwitzt.
    Der Mann lächelt jetzt nicht mehr. Er hält uns die Tür auf, damit wir durchgehen können, und er schaut wirklich ernst, als ob wir etwas falsch gemacht hätten. Wie passend, denke ich, schließlich gehen wir auf ihn zu, als ob wir tatsächlich etwas ausgefressen hätten.
    Als wir vor der Tür stehen, sagt er: “Nun, Mädchen, seid ihr wirklich bereit für die Schachtel?”
    Mein Mund ist ganz trocken, weil er die ganze Zeit offen stand, wie ich jetzt bemerke, deswegen kann ich nur nicken und Emma auch, was ich aus den Augenwinkeln sehe.
    Ich blicke von seinem Gesicht in den verdunkelten Raum und entdecke drei Gestalten um einen Tisch mit einer rot-weiß-karierten Tischdecke, die aussieht wie die, die wir mit Daddy immer zum Picknicken mitgenommen haben. Meine Augen haben sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, aber ich glaube, einer der Männer ist der alte Mann von der Veranda. Es ist ziemlich verraucht da drinnen, hinten steht ein Kartentisch und eine brennende Zigarette liegt in einem Aschenbecher. Ein anderer Mann trägt eine Brille, die aber nur ein Glas hat.
    Und da ist sie. Die Schachtel. Sie steht mitten auf der rot-weiß-karierten Tischdecke, und mir ist klar, dass ich diejenige bin, die sie öffnen muss. Sie ist rechteckig und nicht quadratisch, dunkelgrau mit perfekt sitzendem Deckel. Niemand spricht ein Wort. Die Leute stehen auf einer Seite und warten darauf, dass wir den Deckel heben.
    Ein paar winzige Schritte noch und wir stehen direkt vor dem Tisch. Wenn ich mich bei Dot’s nicht schon übergeben hätte, würde ich es jetzt tun, wie gut, dass ich es schon hinter mich gebracht habe. Ich lasse Emmas Hand los und wische mir den Schweiß an den Jeans ab. Ich atme ein und atme aus und strecke langsam die Hand aus, bis sie nur noch einen Zentimeter von der Schachtel entfernt ist.
    Ich erschrecke, als einer der Männer sagt: “Mach schon, jetzt”. In dem Moment hämmert mein Herz noch heftiger.
    Doch dann tue ich es. Ich greife … nach dem Deckel … hebe ihn vorsichtig an … nur ein ganz kleines bisschen, als ein elektrischer Schlag so schnell und schmerzhaft durch meinen Körper fährt, dass ich aufschreie, den Deckel fallen lasse und losrenne, ohne auf Emma zu warten, ich dränge mich an den Männern vorbei zur Tür und fliehe vor dem Gelächter, das in dem verrauchten Raum in den Laden dringt, klammere mich an Miss Marys Taille, wo ich kleben bleibe wie Moos an einem Baum. Emma ist eine Sekunde später auch da und hält sich an Miss Mary fest, die uns beide Richtung Fliegengittertür schiebt. “Danke, Sir”, sagt sie über unsere Köpfe hinweg, und es klingt – kann das wahr sein? – als würde sie lächeln. “Ich schätze, die Schachtel ist ihren Erwartungen gerecht geworden.” Der Mann von vorhin hält ihr

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