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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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geschickt hat und lege sie neben Emma aufs Bett.
    Wir sprechen nicht miteinander. Wir sortieren nur unsere Sachen, legen sie zusammen, und sehr schnell haben wir genug für eine ganze Woche.
    “Ich hole den großen Kleidersack von unten”, sagt sie. In dem Augenblick fällt mir das Briefmarkenalbum ein, ich hole es und lege es oben auf den Stapel. Ich kann nicht glauben, dass wir es wirklich tun. Klar, dachte ich, dass ich sie irgendwie überreden könnte, doch ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach ist.
    Als Emma zurückkommt, packen wir unsere Sachen in den Sack. Wenn Mama ihn packt, ist er voller, andererseits sind wir auch nicht so kräftig wie Mama, daher darf er nicht zu schwer werden, wenn wir unser altes Leben hinter uns lassen wollen.
    “Na gut.” Sie klingt wie Mama, wenn sie am Zahltag aus der Bank kommt und wieder in den Wagen steigt. Mama ist immer am fröhlichsten, wenn sie am Zahltag Richards Scheck eingelöst hat.
    “Wann gehen wir?” frage ich meine kleine Schwester, weil sie es bestimmt selbst schon weiß und es keinen Grund gibt, sie herumzukommandieren.
    “Heute Nacht”, flüstert sie. “Wenn sie schlafen.”
    Eigentlich sollte ich glücklich sein, aber ganz plötzlich habe ich dasselbe Gefühl, das ich einmal hatte, als Tommy Bucksmith mir den Fußball in den Rücken geschossen hat. Ich bekomme nicht genug Luft. Emma, nun, sie hingegen sieht so gut aus wie schon lange nicht mehr. Ich muss ihr zuliebe mutiger sein, also bin ich es. Zumindest nach außen hin.
    “Was wird Mama ohne uns machen?” frage ich.
    “Was wird Mama mit uns machen”, antwortet sie. Und so einfach ist alles beschlossene Sache. Wir laufen weg, und niemand wird uns davon abhalten.

6. KAPITEL
    “P sst”, sage ich zu Emma, weil sie viel zu viel Lärm für ein kleines Mädchen macht, das eigentlich schlafen sollte. Es ist zwei Uhr morgens, und wir sind bereits spät dran, weil wir beide um Mitternacht eingeschlafen und erst vor fünf Minuten wieder aufgewacht sind.
    Emma hüpft mit einem Bein in ihre Jeans, während sie auf dem anderen balanciert, damit sie nicht umfällt und noch mehr Lärm macht als sowieso schon. Sich im Dunkeln anzuziehen ist viel schwerer, als wir dachten. Gut, dass wir vorausgeplant und alles bereitgelegt haben, was wir zum Weglaufen brauchen. “Psst”, mache ich noch mal.
    Als wir angezogen sind, schleichen wir auf Zehenspitzen zu dem großen Kleidersack, den wir unter einer Decke versteckt haben. Zwar war uns klar, dass Mama nicht hier raufkommen würde, damit hat sie aufgehört, als ich jünger war als Emma heute ist, trotzdem wollten wir auf Nummer sicher gehen, deswegen haben wir die Decke darüber gelegt und das Ganze dann hinter den Kisten in der Ecke versteckt.
    “Du nimmst den Griff”, flüstere ich ihr zu.
    Das Problem ist, dass der Sack sich jetzt viel schwerer anfühlt als noch vor ein paar Stunden. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber es gefällt mir nicht. Wir sprechen es aber nicht laut aus, weil Mama einen leichten Schlaf hat, jedenfalls bete ich innerlich: Bitte, lieber Gott, mach, dass wir den Sack nicht fallen lassen. Dann wären wir erledigt. Bitte, lieber Gott.
    Ich schaue zu Emma hinüber. Es ist ziemlich dunkel, aber ein Mondstrahl trifft ihr Gesicht, und ich kann sehen, dass sie auf ein Zeichen wartet. Ich nicke ihr zu, wir bewegen uns auf die Stufen zu, doch auf einmal habe ich das Gefühl, dass sie viel zu steil sind. So, wie wir den Kleidersack halten, schaffen wir es nie nach unten. Außerdem sind meine Hände aus lauter Angst schweißnass, ich kann den Sack nicht länger halten, gehe ein wenig in die Knie und hoffe, dass Emma es bemerkt. Gott sei Dank, sie merkt es, wir setzen ihn leise ab und starren ihn an, als würde er dadurch leichter werden. Das wird nie passieren, deshalb öffne ich ihn auf meiner Seite und beginne, ihn auszuräumen. Ich sehe nicht besonders viel, aber nachdem ich zwei Hände voll Kleider entfernt habe, hebe ich den Sack an, und es ist, als ob jemand einen Zauberstab geschwenkt und unseren Wunsch erfüllt hätte. Dann nicke ich Emma wieder zu, und wir versuchen es erneut.
    Vorsichtig bewegen wir uns eine Stufe nach der anderen von unserem Nest weg, ohne auch nur einen Piep von uns zu geben. Nun befinden wir uns direkt in der Gefahrenzone – direkt vor Mamas und Richards Zimmer. Ich horche angestrengt und bilde mir ein, Richard schnarchen zu hören, also nicke ich schon wieder, und diesmal kann Emma es sehen, weil das Fenster im

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