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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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“Richard, Richard? Wo bist du, du Hurenbock?”
    Emma und ich räumen die ganzen Kartons aus dem Kofferraum und stapeln sie ordentlich vor der Küchentür, gehen aber nicht rein. Auf gar keinen Fall gehen wir rein.
    Emma dreht sich um, läuft zu der Wiese, und ich folge ihr.
    “He, warte doch!” Wenn sie es drauf anlegt, kann Emma mich problemlos abhängen. Ich schätze, heute hat sie es drauf angelegt.
    Ich bin völlig außer Atem, als ich sie einhole. Wir sind noch am Anfang der Wiese, wo Schilfgras unsere Beine zerkratzt und die Zecken nur darauf warten, einen anzufallen, deswegen laufen wir weiter, bis wir ins niedrigere Gras in der Mitte kommen.
    “Wir sollten es einfach tun”, sage ich. “Lass es uns tun! Vor dem Umzug. Es gibt hundert Millionen Stellen, wo wir uns verstecken können, und dann müssen sie ohne uns umziehen. Richard fängt am Montag seine neue Arbeit an, und deswegen werden sie aufgeben, nach uns zu suchen.”
    Emma schaut mich sekundenlang an, dann fährt sie fort, mit ihren schmutzigen Fingern Gras zu pflücken. Ich weiß nicht mal, ob sie mir zuhört.
    “Mal ernsthaft, das ist eine gute Idee und das weißt du auch”, sage ich. “Wir könnten am Freitag verschwinden, die merken das dann erst am Samstag, am Sonntag suchen sie uns, und dann müssen sie abfahren. Richard interessiert es kein Stück, und Mama wird einfach beschließen, irgendwann später in der Woche zurückzukommen, um nach uns zu sehen, und dann sind wir längst schon über alle Berge.”
    Emma betrachtet den Baum, der am anderen Ende der Wiese steht. Da klettern wir oft hoch, wir kennen jeden einzelnen Ast. Wir wissen genau, wie wir unsere Füße setzen müssen. Wir schaffen das sogar mit Flip-Flops.
    “Nie im Leben!” sagt sie.
    “Warum nicht?”
    “Weil.”
    “Weil was?” frage ich.
    “Du benimmst dich nicht wie jemand, der zwei Jahre älter ist als ich.” Das macht mich ziemlich sauer.
    “Was soll das jetzt heißen?”
    “Das heißt, dass wir das nicht machen können. Wenn es etwas gibt, was Eltern überhaupt nicht leiden können, dann, dass ihre Kinder weglaufen. Er wird uns umbringen.” Sie schaut zu mir rüber. “Er wird uns umbringen.”
    Sie schaut so ernst wie ein Leichenbestatter, wie Mama immer sagt. Aber ich versteh’s nicht. Sie hat doch damit angefangen. Ich werde sie überreden, komme, was da wolle. Und wenn wir allein leben, werde ich als Allererstes ihr Haar kämmen. Das ist nämlich eigentlich so hübsch, ganz seidig und weich, wie die Blätter von gelben Stiefmütterchen. Früher hat sie es gemocht, wenn ich sie kämmte, also wird sie es irgendwann auch wieder mögen …
    Während ich sie betrachte, steht sie einfach auf und läuft zurück zum Haus.
    “Bleib lieber draußen”, rufe ich ihr nach, aber sie läuft weiter und ich folge ihr. Mal wieder.
    Wir lauschen an der Küchentür, und als wir nichts hören, öffnen wir sie langsam, damit sie nicht quietscht. Nur so weit, dass wir uns durchquetschen können, dann schlüpfen wir vorsichtig aus unseren Flip-Flops und laufen barfuß über den Küchenboden, als ob er aus Glassplittern wäre. Ich breite die Arme aus, um das Gleichgewicht zu bewahren, aber Emma schafft es auch so. Oben hören wir, wie Mama und Richard sich anbrüllen. Dann ein dumpfer Schlag. Das Geräusch, wie Mama auf den Boden fällt. Es kommt mir so vor, als würde jeder einzelne Schritt eine Ewigkeit dauern, doch schließlich erreichen wir unser Nest.
    “Was machst du?” frage ich sie.
    “Nach was sieht’s denn aus?” gibt sie zurück, als hätte das Gespräch vorhin auf der Wiese gar nicht stattgefunden.
    Sie nimmt ein paar ihrer Sachen aus der Kiste, die sie erst gestern Abend gepackt hat. Sie legt sie sorgsam gestapelt auf die Bettdecke, und nun denke ich, dass mein Wunsch doch noch in Erfüllung geht.
    Deswegen nehme ich die Kleider heraus, die ich gerne trage und nicht die Sachen, die Mama mir aus dem Laden namens “White Elephant” besorgt. Alle sagen nur Krankenhausladen dazu, weil das Geld direkt als Spende ans Krankenhaus geht, als ob das ein schöner Ort wäre und kein schäbiges altes Haus, wo man mit Nadeln gestochen wird. Diese Kleider müffeln, aber wenn ich Mama sage, dass ich die müffelnden Kleider aus dem Krankenhausladen nicht mag, nennt sie mich wieder Fräulein Etepetete und zwingt mich, sie sofort anzuziehen. Die lasse ich also in der Kiste, stattdessen lege ich die von Großmama zusammen, die sie mir mal aus einem Laden in Asheville

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