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Ich & Emma

Ich & Emma

Titel: Ich & Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Flock
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meine Bücher und tue dann so, als würde ich den Blick aus dem Fenster genießen. In Wirklichkeit aber denke ich darüber nach, wie ich es bis zur großen Pause aushalten soll. Ich glaube nicht, dass mir das gelingt. Ich drücke einen Finger in die Plastikfolie – das Brot ist so weich, dass eine Delle zurückleibt, und da läuft mir nun erst recht das Wasser im Mund zusammen.
    Der Bus quietscht und schnauft den Berg hinauf Richtung Schule. Die Donford-Grundschule ist ein einfaches kleines Steingebäude mit einer einzigen Eingangstür, deren Klinke schon ganz abgenutzt ist von den vielen Kinderhänden. An den Fenstern zu beiden Seiten der Tür sieht man die Rückseite von Bildern, die dort festgeklebt sind, man weiß nicht, was vorne drauf zu sehen ist, es sei denn, es handelt sich um das eigene Klassenzimmer. In dem dunklen Flur hängen Poster mit den Worten: “Wir freuen uns auf den Unterricht!” Über dem Buchstaben
i
ist ein Smiley gemalt. Ich finde es schön, jeden Tag hereinzukommen und diesen Smiley zu sehen.
    “Carrie, warte!” ruft mir Orla Mae hinterher.
    Das tue ich.
    “Ich hab’ gehört, dass du bei Mr. Wilson Schießen geübt hast.” Sie drückt ihre Bücher gegen die Brust und beugt sich zu mir vor.
    “Wo hast du das gehört?”
    “Machst du Witze? Mein Daddy sagt immer, man kann sich auf der einen Seite des Orts den Hintern kratzen und die Damen auf der anderen Seite diskutieren darüber, wie oft man gekratzt hat.” Ich gehe schweigend weiter.
    “Und? Hast du?”
    “Und wenn es so ist?”
    “Is’ keine große Sache, ich hab’ mich nur gefragt. Mr. Wilson hat meinem Daddy gesagt, dass du der beste Schütze seit Harry Maphis bist, und mein Daddy meint, das will schon was heißen, weil Harry Maphis einem Eichhörnchen aus einer Meile Entfernung ein Auge ausschießen konnte.”
    “Ich schieße nicht auf Eichhörnchen, so viel kann ich dir verraten. Sag mal, wo ist denn hier die Post?”
    “Was willste denn bei der Post?”
    “Ich will’s nur wissen, mehr nicht.”
    “Geh einfach die Straße weiter und dann kommt sie irgendwann auf der rechten Seite. Im Kaufmannsladen. Da ist auch die Post. He – wohin gehst du?”
    “Bin gleich zurück”, rufe ich ihr über die Schulter zu. Ich renne beinahe. Ich kann es kaum noch aushalten, bis ich zur Mädchentoilette komme.
    In der ersten Kabine links, die, die ich immer benutze, lege ich den Riegel um, damit niemand aus Versehen reinkommen kann (das ist mir schon ab und zu passiert), daher nehme ich immer diese Kabine. In der nächsten gibt es nämlich keinen Riegel, und auf den anderen beiden Toiletten gibt es zwar welche, aber die sind verbogen. Dann glaubt man zwar, man hat abgesperrt, aber gerade wenn man auf der Schüssel sitzt, löst er sich, dann muss man aufstehen und die Tür zuhalten und sich gleichzeitig die Hose hochziehen. Ich beuge mich nach unten, schaue, ob ich Füße sehe. Nein, die Luft ist rein. Ich habe diesen Ort für mich allein, bis in fünf Minuten der Unterricht beginnt. Das ist genug Zeit.
    Die Plastikfolie ist ganz verheddert, man kann sie nicht einfach abziehen, also zerreiße ich sie, stecke mir ein Stück Brot in den Mund und lege dabei den Kopf in den Nacken, damit mir nicht ein einziger Krümel entwischt. Hmm. Das schmeckt gut, es würde mir sogar schmecken, wenn ich gefrühstückt hätte. Mrs. Bickett hat ganze Körner unter das Mehl gemischt, was das Ganze noch knuspriger macht.
    Wenn Oma uns besucht, werde ich sie fragen, ob sie uns auch solches Brot backen kann. Vielleicht gibt Mrs. Bickett ihr ja das Rezept. Ich darf nicht vergessen, sie zu fragen.
    Noch mit vollem Mund knülle ich die Plastikfolie zu einem kleinen Ball zusammen, den ich auf meinem Weg nach draußen wegwerfe.
    Zeit für den Unterricht.
    Wir sitzen ganz still. Unsere Lehrerin Miss Ueland betont immer bestimmte Wörter in einem Satz, als wollte sie uns die Zeit geben, sie richtig zu verstehen. Anfangs hat mir das nichts ausgemacht, doch inzwischen bringt es mich auf die Palme, weil ich nie kapiere, wieso sie gerade diese Wörter ausgewählt hat.
    “Ich hoffe, ihr habt alle eure
Hausaufgaben
gemacht”, sagt sie. “Wir haben heute viel vor, aus diesem Grund werden wir sie nicht
durchgehen
wie sonst, ich vertraue einfach darauf, dass ihr
Fortschritte
macht.”
    Die Tafel ist sauber, ein frisches Päckchen Kreide liegt bereit. Miss Ueland öffnet es, bricht ein Stück Kreide in der Mitte durch und malt in schöner Schreibschrift Namen von

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