Ich gab mein Herz fuer Afrika
der Gedenkfeier zuhören. Doch das beeinträchtigte die Feierlichkeit
nicht. Alle Redner sprachen gewandt und liebevoll von ihrer verstorbenen Freundin und Kollegin.
Dann erhob sich Alan Root, achtundsechzig, der Bart ergraut, er selbst jedoch noch kräftig und gelenkig, und ging zum Podium. Als würde Joan dort stehen und sie rufen, landeten im selben Moment zwei Kronenkraniche auf dem Rasen und stolzierten vor dem Publikum herum.
»Ich stehe nicht auf dem Programm, und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich mir unsicher war, ob ich es schaffen würde, heute zu sprechen«, sagte Alan. »Ich bin mir da immer noch nicht so sicher, aber ich will es versuchen. Andernfalls würde mich Joan einen Feigling schimpfen, das weiß ich.« Er dankte allen für ihr Kommen und erzählte dann von Joan und ihrem früheren gemeinsamen Leben – wie sie damals in den 60er Jahren »auf dem Weg in den Kongo« diesen wunderschönen Flecken in Naivasha gefunden hatten, von Joans Tapferkeit, wie sie mit ihrer Entschlossenheit und ihrem Mut allen Gefahren trotzte, von der kräftezehrenden Myasthenie, die sie besiegt hatte, und wie sie ihn bei zahllosen Gelegenheiten gerettet hatte, zum Beispiel damals, als er hoch oben über dem Kilimandscharo beinahe aus dem Korb des Heißluftballons gefallen wäre und sie ihn auffing.
»Viele der hier Anwesenden wissen, welch eine Stütze mir Joan gewesen ist«, sagte er. »Aber sie war mehr als nur eine Helferin. Sie war die Produzentin all der Filme, die wir gemeinsam gemacht haben. Joan war mein rechter Arm. Sie hat alles ermöglicht. Wenn wir in diesen
Jahren gemeinsam viel erreicht haben, dann ist das ihr zu verdanken.«
An dieser Stelle brach er in Tränen aus. Als er die Fassung wiedererlangt hatte, sagte er abschließend: »Bescheiden, liebevoll, lustig, engagiert, mutig – das war meine Joan.«
Nur gehörte sie nicht mehr Alan Root allein. Es wurde weltweit um sie getrauert, und die Geschichte von dem gefährdeten See, den eine Frau so sehr liebte, dass sie bei dem Rettungsversuch starb, war zu einer internationalen Schlagzeile geworden. Joan Root stand nicht mehr im Schatten eines anderen Menschen, schon lange nicht mehr.
Ich betrachtete die Schar der Trauergäste und schaute hinüber zu der Stelle, wo Alan Wochen zuvor Joans Asche unter einem Erdhaufen begraben und einen kleinen Feigenbaum gepflanzt hatte. Dort würde sie für immer ruhen und auf den Naivashasee hinausblicken.
Postscriptum
AM 10. AUGUST 2007 mussten die vier Männer, die des versuchten schweren Raubes angeklagt waren, im behelfsmäßigen Gericht von Naivasha vor den Richter treten. Die Beschuldigten, zu denen auch David Chege gehörte, wirkten zermürbt, nachdem sie beinahe zwei Jahre lang im Gefängnis auf die Verhandlung gewartet hatten. Für den Staatsanwalt wurden dreizehn Zeugen aufgerufen. Die Verteidigung rief niemanden in den Zeugenstand, die eigenen eidlichen Aussagen sollten genügen.
Die Zuschauer setzten sich hauptsächlich aus den Familien der Angeklagten zusammen. Kein einziger weißer Kenianer war anwesend. Es gab keine Geschworenen. Ein einzelner Richter sollte über ihr Schicksal entscheiden. Er leitete die Verhandlung, und als er mit tiefer Stimme und einem starken englischen Akzent zu sprechen begann, war es klar, dass er seinen Entschluss bereits gefasst hatte.
Niemand habe die Beschuldigten am Tatort gesehen, führte er aus. Die Wachen hätten sich versteckt, die Mörder hätten Masken getragen. Es gebe keinen Beweis für eine Verbindung zwischen den Angeklagten und dem Verbrechen. Das Einzige, was überhaupt eine Verbindung herstelle, sei das aberwitzige Zeugnis eines Hundes, noch dazu eines Zivilhundes mit nicht ausgebildeten Hundeführern, ohne dass die Polizei sich beteiligt habe. Selbst die Anklage sei fehlerhaft. »Die Verstorbene wurde erschossen … «, sagte er. »Es gab keinen Grund für eine Anklage wegen versuchten schweren Raubes. Richtig wäre eine Anklage wegen Mordes gewesen. « Dann klopfte er mit dem Richterhammer auf das Pult und setzte fest, die vier Männer sollten freigelassen werden . 437
Drei Monate später war David Chege wieder flüchtig. »Heute ist er nur noch ein Geist«, sagten die Leute. Als ich zum ersten Mal nach Naivasha kam, um den Artikel über Joan Root zu schreiben, saß Chege gerade im Gefängnis, angeklagt des versuchten schweren Raubes in Verbindung mit dem Tod von Joan Root. Als ich zurückkehrte, um weiter zu recherchieren, war er mittlerweile für
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