Ich gegen Amerika: Ein deutscher Anwalt in den Fängen der US-Justiz (German Edition)
Handwerker in ihrer Wohnung zu empfangen. Beide reagierten zutiefst erschrocken: Ohne Genaueres zu wissen, ahnten sie, dass etwas Schlimmes passiert war, etwas, das ihr Leben schlagartig verändern würde. Sie wussten von den seit Jahren schwelenden Auseinandersetzungen mit Carl F., sie wussten, dass ich ihn in Florida treffen wollte. Vielleicht hatten sie längst klarer als ich gesehen, dass der Kontakt mit diesem Mann für mich gefährlich werden konnte.
In den USA war es noch mitten in der Nacht. Niemand konnte Auskunft geben, was mir passiert war. So konnten sie in den ersten Stunden nur spekulieren: Hatte ich einen Unfall verursacht, vielleicht mit zu viel Alkohol im Blut? War ich in eine handgreifliche Auseinandersetzung geraten? Aber das passte überhaupt nicht in ihr Bild von mir. Ging es um eine Bagatelle, würde ich vielleicht schon in ein paar Stunden gegen Hinterlegung von ein paar tausend Dollar Kaution freikommen?
Jan Jütting überlegte nicht lange. Er buchte den nächsten erreichbaren Flug nach Miami und war schon wenige Stunden später unterwegs. «Ich hatte dabei noch meine Zweifel», so gestand er später, «ob das nicht vollkommen übertrieben war. Ich dachte, vielleicht ist Reinhard längst wieder draußen, wenn ich in den USA ankomme.»
Meine Töchter organisierten währenddessen einen amerikanischen Anwalt für mich. Es sollte möglichst der beste sein, den sie in den USA auftreiben konnten. Tatsächlich gelang es ihnen, noch am selben Tag mit dem Harvard-Professor Alan Dershovitz zu sprechen, einem der renommiertesten Strafverteidiger in den USA. Dieser empfahl ihnen eine Kollegin in Miami: Jeanne Baker hatte sich als Präsidentin der American Civil Liberties Union (ACLU) für Florida, als Strafverteidigerin und profilierte Kämpferin für Bürgerrechte einen Namen gemacht.
Noch am selben Tag, am Montag, brachte man mich im Broward County Jail in einen winzigen Besprechungsraum. Meine Anwältin war gekommen: Eine energische, schwarzhaarige, elegant gekleidete Frau etwa in meinem Alter nahm mir gegenüber Platz. Jeanne Baker war eine sehr erfahrene und kompetente Kollegin, das war mir schon nach den ersten Minuten klar. Mein Vertrauen hatte sie außerdem durch den Hinweis, dass sie von meiner Familie engagiert worden war.
Wir hatten viel zu besprechen und wenig Zeit. Konzentriert und präzise klärte sie mich über die Anklage auf: Angeblich hatte ich, in krimineller Verschwörung mit meinem Mandanten und einem weiteren Gläubiger, versucht, Carl F. zu erpressen. Angeblich hatten wir damit gedroht, seiner Frau und seinen Kindern etwas anzutun, wenn er nicht zahle. Sie erklärte mir, welche Verfahrensschritte in den nächsten Tagen auf mich zukommen würden. Und natürlich brauchte sie jede Menge Informationen von mir; sie wollte wissen, wie ich die Sache sah.
Für Dienstagvormittag war ein erster Haftprüfungstermin angesetzt. Meine Anwältin ließ keinen Zweifel am Ernst der Lage. Sie war längst nicht so überzeugt wie ich, dass ich schon bald wieder frei sein würde.
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In Häftlingskleidung, an Händen und Füßen gefesselt, wurde ich in den Gerichtssaal geführt. Der große Raum war mit hellen Holzmöbeln, gediegenen Teppichböden und modernsten technischen Einrichtungen ausgestattet. In dieser Atmosphäre kannte ich mich wieder aus, im Gerichtssaal war ich in meinem Element. Der Kontrast zum Lärm und Dreck des Broward County Jail , das nur ein paar hundert Meter entfernt lag, war eindrucksvoll: Hier, so dachte ich, würde nach den Spielregeln eines demokratischen Rechtsstaates miteinander verhandelt.
Jeanne Baker war da, und zum ersten Mal sah ich auch Jan Jütting wieder. Erst vor ein paar Tagen hatten wir uns in Hamburg voneinander verabschiedet. Es tat so gut, jetzt einen von meinen Leuten an meiner Seite zu haben.
Wir standen zu dritt vor dem Richter: Sie hatten außer Andreas B. und mir auch Gerhard W. verhaftet. Jener Mann, über den die F.s mit uns gesprochen hatten, war kurz vor seinem Abflug nach Deutschland auf dem Flughafen von Miami festgenommen worden. Ich kannte ihn nur flüchtig als Bekannten von Andreas B. Jetzt standen wir gemeinsam als angebliche kriminelle Bande vor Gericht.
Es gab bereits eine erste, improvisierte Anklageschrift, verfasst von dem FBI-Beamten, der unsere Verhaftung veranlasst hatte. Uns wurde vorerst keine Möglichkeit eingeräumt, zur Sache Stellung zu nehmen. Haftrichter Barry Seltzer hatte bereits entschieden, wie es mit uns weiterging:
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