Ich gestehe
erfuhr es nicht direkt von ihr, sondern fand eines Tages, als sie einkaufen war, ein Schreiben vor, in dem die Galerie Broqueur in Paris sich bereit erklärte, wegen Wegzuges von Mademoiselle Parnasse in die USA die noch vorhandenen Grafiken und Bilder in Kommission zu nehmen und den Erlös auf ein Konto der Französischen Staatsbank zu überweisen.
Es blieben mir nur noch Stunden, die Tat auszuführen. Nur noch wenige Stunden, das Rad des Schicksals so zu drehen, wie ich es mir vorgenommen hatte!
In diesen wenigen Stunden schlug das Schicksal wirklich zu.
Ich wachte in der Nacht von wahnsinnigen Schmerzen auf, ich schrie, wälzte mich im Bett, trommelte mit den Fäusten an die Wand und kratzte den Kalk und die Tapeten ab. Mein ganzer Körper schien ein einziger Schmerz zu sein. Er bäumte sich auf, zuckte unter den Schmerzen, und ich schrie, schrie, daß es über die Gänge hallte.
Gaston und Bocchanini, die sofort gerufen wurden, stellten ein schweres Nervenfieber fest. Nach einer Injektion, die mir Bocchanini gab, schlief ich ein.
Meine Rache, mein perfekter Mord. Sie schliefen mit mir ein und lösten sich auf, verbrannten in dem Feuer, das durch meinen Körper tobte.
An der Schwelle der Erfüllung allen Hasses brach ich zusammen. Nicht einmal das gönnte mir das Schicksal, daß ich eine Mörderin wurde aus Liebe und Enttäuschung.
In einem Zustand von Lethargie dämmerte ich dahin. Drei Tage … vier Tage … am fünften Tag ließ mich Bocchanini an die Riviera bringen, nach Nizza, in das Sanatorium von Dr. Frèsnes.
Hier war ich weit weg von allem Kummer, von allen Sorgen, von Gaston und Brigit, die mich einmal besuchten in meinem kleinen, weißen Zimmer und bei deren Anblick ich mich abwandte und die Wand anstarrte. Da verließen sie leise das Zimmer. Die Zukunft gehörte ihnen. Ich war nur noch ein Wrack, eine ausgebrannte Schlacke.
Wenige Tage nach meinem Abtransport nach Nizza fand man unter der Matratze meines Bettes in der Klinik die kleine Ampulle mit dem Pilzgift. Die Schwester, die es entdeckte – eine junge Lernschwester – gab es sofort an Gaston weiter, der die Ampulle stillschweigend zurück zu Prof. Bartels trug.
Wie ich später erfuhr, dachte man allgemein, daß ich mich in einem Anfall nervlicher Zerrüttung – den sich keiner erklären konnte außer Gaston, der aber schwieg – das Leben mit diesem Pilzgift nehmen wollte und nur mein Zusammenbruch mich an der Ausführung meiner Tat gehindert hatte. So wurde ich, die verhinderte Mörderin, noch eine Märtyrerin der Liebe, und niemand kam auf den Gedanken, daß das Gift vielleicht für andere gedacht war als für mich selbst.
Vielleicht ahnte es Gaston – aber er schwieg. Sicherlich schwieg er nicht, um mich zu schützen, sondern um Brigit die Aufregung zu ersparen und vor allem, um nicht der Mann eines Mädchens zu werden, dessen Schwester man des versuchten Mordes anklagte!
Vater und Mutter besuchten mich in Nizza – ich war froh, als sie wieder fuhren. Mutters stiller Schmerz nagte in mir, und Vater umging scheu das Thema Gaston Ralbais und Brigit. Sicherlich wußten sie, daß Gaston und Brigit zusammenwaren, sicherlich ahnten sie, daß damals in Caissargues die Würfel unseres Schicksals gefallen waren, so plötzlich, so unerwartet und so ganz anders, daß man wahrscheinlich sagen darf: Die menschliche Seele ist ein unlösbares Rätsel!
In diesen Tagen der völligen Ruhe hatte ich Zeit genug, darüber nachzudenken, was ich falsch gemacht hatte und warum alles so gekommen war. Eigentlich gab es darauf nur eine einzige Antwort: Es war keine Liebe zwischen Gaston und mir gewesen!
Ich wehrte mich gegen diesen Gedanken, ich nannte mich dumm und kindisch – aber es blieb trotz aller Überlegung nur der Schluß, daß unsere Liebe – wie wir sie damals nannten – nichts anderes gewesen war als ein hell brennendes Strohfeuer der Leidenschaft, und nach dessen Verlöschen nichts übrig blieb als ein unansehnlicher Rest im Wind zerflatternder Asche.
Leidenschaft – nichts weiter war es. Wir hatten uns vergessen – wir hatten darauf vertraut, daß unsere Körper, unser Vergessen stark genug sei, lange genug zu dauern, so lange zu dauern, bis alles zur Gewöhnung wurde und aus dieser Gewöhnung eine Ehe.
Das war ein Irrtum. Ein grausamer Irrtum der Herzen, denn auf Gewöhnung und Leidenschaft allein kann man keine Ehe aufbauen, weil es eben Feuer sind, die schnell verglühen und nichts zurücklassen als einen schalen Geschmack und
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