Ich gestehe
– mit den Giften, deren Wirksamkeit und Gegengifte man hier erforschte.
»Aha! Besucht uns auch einmal die Chirurgische?« fragte Prof. Bartels und drückte mir die Hand. »Was führt Sie zu mir, Dr. Parnasse? Haben Sie einen interessanten Giftfall für uns?«
Noch nicht, dachte ich. Noch nicht, aber morgen vielleicht, oder übermorgen …
»Ich möchte mich bei Ihnen über die Wirksamkeit des Curare informieren«, sagte ich.
»Wen wollen Sie denn umbringen?« Bartels lachte. »Indianisches Pfeilgift läßt sich nachweisen!«
»Ich brauche es zur Narkoseunterstützung. Vor allem zur Muskelentspannung.«
Prof. Bartels ging mit mir durch den langen Gang, der das Labor in zwei Teile teilte. Rechts und links von uns standen die breiten Experimentiertische mit den Glasschlangen und Retorten, Erlemeierkolben und Bunsenbrennern. Es kochte und zischte in den Geräten. Auf einem breiten Marmortisch, abgeteilt durch eine Glaswand von dem anderen Laborbetrieb, wurden die an den Giften gestorbenen Tiere seziert und die gewonnenen Präparate zu Labor II, der Mikroskopierabteilung, geschickt, wo sie über die Wirksamkeit der Gifte genau untersucht wurden.
Auf dem Wege zu dem Zimmer Prof. Bartels' kamen wir auch an den Pilztoxinen vorbei. Es war ein Schrank, der in einer Ecke stand, wie alle Giftschränke sonst verschlossen. Ein Chemiker stand gerade an ihm, den Schlüssel in der Hand, und suchte eine kleine Ampulle heraus.
Während wir durch das Labor III gingen, hatte ich meine Augen überall. Ich beobachtete genau, wo die Gifte standen, ich merkte mir, wer die einzelnen Schlüssel hatte, denn selbst Prof. Bartels mußte diesen oder jenen jungen Arzt oder Chemiker rufen, um sich ein Präparat geben zu lassen. Auch Prof. Bartels besaß nicht alle Schlüssel zu den Giftschränken.
Diese Sicherung erschwerte sehr mein Vorhaben. Es war unmöglich, den Schlüssel von einem der Männer zu erhalten, und wenn ich mir das Pilztoxin herausgeben ließ, mußte ich einen Aushändigungsschein unterschreiben und nachweisen, wofür ich das Gift verwendet hatte. Dann aber war mein Anschlag auf Brigit und Gaston sofort geklärt, und der perfekte Mord war eine der größten Stümperarbeiten! Nein – wenn es so keine Möglichkeit gab, blieb mir nur der Weg, während des Nachtdienstes hier einzubrechen und aus dem Schrank das Gift zu stehlen. Das war gefahrvoll, aber ohne ein Risiko war nie ein Mord zu begehen. Hatte ich erst das Gift in den Händen, dann würde alles so glatt sich vollziehen, so sicher und in der Stille, daß es kein Risiko mehr war, neben den Sterbenden zu sitzen und die Trauernde zu spielen.
Was mir Prof. Bartels über das Curare erzählte, hörte ich nur halb. Ich kannte mich aus mit diesem Gift, denn ich hatte es bei Narkosen schon öfter benutzt. Ich nickte ab und zu und nahm dann – gegen Quittung natürlich – das für Narkose präparierte Pfeilgift aus Südamerika an mich.
Als ich wieder draußen im Garten stand, schloß ich einen Moment die Augen. Der rechte Schrank am Ende des Ganges, dachte ich. Dort ist das Gift. Auf dem Schrank steht in schwarzer Schrift III/45/Ic. Das Schloß ist unkompliziert, die Tür ist einfaches Holz. Man konnte den Schrank mit einem dünnen Brecheisen oder einem flachen, starken Schraubenzieher leicht aufbrechen. Um Fingerabdrücke zu vermeiden, würde ich Handschuhe tragen, außerdem einen schwarzen Mantel, der gegen den Nachthimmel weniger auffiel als der weiße Arztkittel.
Durch die riesigen Milchglasscheiben des Operationssaales fiel helles Lampenlicht in den Garten. Dort operierte jetzt Bocchanini mit Gaston!
Mit schnellen Schritten ging ich dem Gebäude der chirurgischen Abteilung zu und sah dabei auf die Uhr.
Viertel nach drei.
Vor der Tür des Zimmers, in dem Jeróme Senlis, der Rennfahrer, lag, blieb ich stehen. Eine Schwester kam den Gang entlang.
»Ist jemand bei dem Patienten?« fragte ich geschäftlich.
»Nein. Mademoiselle Abonice kommt erst gegen Abend.«
»Danke.«
Ich drückte die Türklinke nieder und betrat das Zimmer Senlis'. Er saß halb im Bett und es ging ihm gut. Die Operation hatte er blendend überstanden. Er winkte mir zu und lachte über sein schönes, männliches, fast kühnes Gesicht.
»Fräulein Doktor!« rief er. »Ich habe Sie lange nicht mehr gesehen!«
»Haben Sie mich vermißt?« antwortete ich keck und lachte ihn an.
»Aber ja.«
»Ich war in Urlaub.«
»Beneidenswert. Aber dafür sehen Sie nicht gerade gut aus. Sie sind blaß. War
Weitere Kostenlose Bücher