Ich glaub, ich lieb euch alle
Tatsächlich hab ich nicht wirklich gezielt, daher kommt der Ball auch nicht dort an, wo ich ihn gern gehabt hätte. Und meine Füße heben immer vom Boden ab, und das, haben sie mir erklärt, ist nicht gut. Manchmal lande ich vor lauter Anstrengung mit dem Gesicht voraus am Boden. Mir wird das irgendwie alles zu viel mit dem Rennen, dem Öffnen des Handschuhs, und mich haut’s einfach nur noch der Länge nach hin. Ich hoffe doch sehr, die Trainer haben das nicht mitgekriegt. Aber mein ungeschliffenes Talent müssen sie auf jeden Fall bemerkt haben. Jedes Mal, wenn ich den Ball werfe, brüllt eins von den anderen » CARTER!«, in dem Moment, in dem der Ball an ihm vorbeischießt. Ich hab den Ball noch nicht wirklich getroffen, aber Brock versichert mir wieder und wieder, dass ich eine ganz gute Figur mache.
Am Mittwoch hab ich den Bogen schließlich schon ziemlich gut raus. Ich schlag ein paar Fouls. Die zählen nicht als Treffer, doch ich bin der Meinung, dass auch sie Zeichen meines Fortschritts sind. Meinen Kanonenarm kann ich inzwischen sogar ein wenig kontrollieren und ich hab mir ein niedliches Yankees-Shirt von J-Low ausgeliehen. Ich kann mir nicht vorstellen, aus welchem Grund sie mich nicht im Team aufnehmen sollten. Möglicherweise dusche ich mich noch zu häufig, aber daran lässt sich arbeiten.
Wir treffen uns nach dem Training im Baseballraum (auch bekannt als Footballraum). Die ganzen älteren Jungs und die Freshmen sind in den Raum gepfercht. Schon eng hier, aber hey, wir sind ein Team. Wir sind eins. Der Coach hält ein Clipboard in der rechten Hand und in der linken ein Maßband. Gleich werden sie unsere Köpfe vermessen. Vielleicht hab ich heute Abend schon meine Kappe!
Jemand macht die Tür zu und der Coach spult nun dasselbe Programm ab wie vermutlich jedes Jahr. » Jungs«, sagt er und nimmt seine Kappe ab, » das hier ist wirklich das Schwierigste an meinem Job. Doch wir haben nur Platz für so und so viele Mitglieder im Team, deshalb müssen wir uns leider von einigen von euch verabschieden. Das soll nicht heißen, dass ihr nicht…«
Ich nehm an, mir bleiben noch ein paar Minuten bis zur Entscheidung, deshalb schau ich aus dem Fenster und denke zurück an die Zeiten, als dieses Zimmer noch der Footballraum war. Wenn die Luft draußen etwas kühler war, konnte man den Geruch von verbranntem Laub riechen, und damals wartete dort draußen ein Lynchmob auf mich. (Das waren gute Zeiten.) Ich kann mich noch gut erinnern, wie Abby geheult hat, und sehe sie noch vor mir, die Mädels vom Drill Team mit ihren Fackeln und Stöcken. Wie sie sich auf die blanke Brust klopften und verlangten, dass man mich freigibt, damit sie mich zurück in ihre Höhlen schleifen konnten, um mit mir…
» Cory Day, Gene Arioli, Nick Brock, Paul Skelton, Ben Kriesman…«, fährt der Coach fort, von seinem Clipboard abzulesen.
Verdammte Scheiße! Ich hab keine Ahnung, was hier vor sich geht. Liest er jetzt die Namen der Typen vor, die es ins Team geschafft haben? Oder werfen sie Nick Brock tatsächlich aus dem Team raus? Wenn sie ihn rauswerfen, dann will ich auch nicht mehr.
Der Coach liest weiter: » Emilio Johnson« (EJ), » Josh Loos« (J-Low), » Bill Kasson« (Doc), » Andre Durlan« (der Dorn in meiner Seite), » Todd O’Connell« (Nutt)…
Okay, er liest hier gerade eine ganze Menge Namen vor. Ich bezweifle, dass es sich um die Liste der Typen handelt, die rausfliegen, denn all diese Typen sind richtig gut. Doch meinen Namen höre ich nicht. Nun sag ihn schon. Los, sag » Carter!«. Ungeschliffenes Talent, schon vergessen? Ich bin die Knetmasse in Ihren Händen. Ich könnte der Größte sein, wenn Sie nur endlich » Carter« sagen würden. Das ist meine Crew. Nur weil ich nicht so gut bin im Schlagen und Werfen, könnt ihr mich doch nicht von meinen Freunden trennen!
» Kurt Harmon« (Hormone), » und Matt Sparks« (Bag), » das war’s«, sagt der Coach und schaut vom Clipboard hoch.
Verdammt! Haben die mich gerade ernsthaft rausgeworfen? Oder hat er meinen Namen vorgelesen, als ich gerade mit den Gedanken woanders war? Normalerweise werde ich aus meinen Aufmerksamkeitsdefizit-Träumen gerissen, sobald ich meinen Namen höre, deshalb hätte ich es ja merken müssen, wenn er meinen Namen vorgelesen hätte.
» Wenn ihr nicht dabei wart, tut es mir leid. Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen, aber wir können nun mal nicht alle nehmen. Wenn ihr auf der Liste wart, dann bleibt hier; wir werden noch
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