Ich glaub, ich lieb euch alle
war), vermasseln es völlig. Er hat in jedem Stück mitgespielt, seit er Freshman war, daher betritt er den Raum, als würde die Bude ihm gehören. Seine Klamotten sehen ultrateuer aus und sein Haar sitzt tadellos, aber sein Mund ist dermaßen trocken, dass ihm die Oberlippe ständig an seinen Zähnen kleben bleibt, weshalb er beim Sprechen irgendwie komisch klingt. Er singt zwar ziemlich gut, aber schon beinahe zu gut, so als wolle er angeben.
Mir war gar nicht bewusst, wie viele Theaterfreaks es in Wirklichkeit gibt. Heute sind schätzungsweise über hundert Kids hier angetanzt, um sich zu blamieren. Die scharfe Braut aus dem Blockbuster kommt gerade rein, und eigentlich hatte ich erwartet, dass sie ihre Sache super machen würde. Sie muss den Film einfach gesehen haben, oder nicht? Nein, hat sie nicht! Ich hätte sie am liebsten ausgebuht, als sie anfing zu singen. Ich wünschte, ich hätte eine von diesen altmodischen Stangen mit Haken dran, um die Flaschen damit von der Bühne zu zerren und Miss McDougle so zu ersparen, lügen zu müssen. » Das war wirklich großartig! Vielen Dank, dass du gekommen bist.« Ich weiß jetzt ganz genau, warum sie eine so gute Theaterlehrerin ist: weil sie eine begnadete Schauspielerin ist. Vielleicht zerfrisst es sie ja in ihrem Inneren, aber äußerlich lässt sie sich davon nichts anmerken. Es ist bereits nach zehn, und dieser Notizblock muss schon vollgeschrieben sein mit Sätzen wie: » Der Idiot hier ist sogar noch übler als der letzte!« oder » Scheiße… aber nicht ganz so scheiße wie der vorher.«
Ihre Assistentin, die total fertig aussieht, kommt rein und erklärt endlich: » Okay, jetzt kommen noch Abby und Trevor, das letzte Paar für heute Abend.«
Abby betritt den Raum und sieht total hübsch aus. Sie trägt ihr schwarzes Kleid. Ich nehme an, sie hat es immer in ihrem Schließfach hängen. Sie sieht erhitzt aus, aber nicht nervös. Ich würd am liebsten da rausrennen und ihr sagen: » Entspann dich, die anderen Kids waren alle scheiße!« Ihr Partner Trevor scheint in dieser Hinsicht keine Ausnahme zu bilden. Vielleicht übertrifft er sie sogar noch alle, denn er sieht aus, als würde er gleich kotzen. Fantastisch!
Er spricht für die Rolle von Sky vor und müsste eigentlich die erste Textzeile haben. Eigentlich sollte er jetzt sagen: » Ich hatte mir die Hilfe etwas persönlicher vorgestellt.« Der Typ versucht einfach alles, sein Abendessen drinnen zu behalten, aber leider lässt er auch seinen Text nicht raus.
Abby wartet eine Sekunde lang, dann legt sie mit ihrem Part los. » Mr Masterson, warum sind Sie hierhergekommen?«
Oh, Abby ist gut! Gut und ziemlich keck. Doch der grüne Gnom ihr gegenüber bringt keinen Ton raus. Seine nächste Zeile müsste lauten: »Ich hab’s doch gesagt, ich bin ein armer Sünder.« Aber ich befürchte, er hat jetzt ganz aufgehört zu atmen. Ich weiß, dass er noch lebt, denn die Blätter in seinen Händen zittern wie blöd und machen ein flatterndes Geräusch. Er blickt um sich, als befände er sich in einem Traum. Vielleicht hat er sich ja dem naturalistischen Method Acting verschrieben, von dem Miss McDougle im Unterricht einmal gesprochen hat. Vielleicht hat er sich ja richtig in seine Rolle vertieft und ist gerade dabei, seine Emotionen langsam nach außen zu kehren. Nein, alles, was er nach außen kehrt, ist sein Mittagessen! Er hält sich die Hand vor den Mund und stürmt aus dem Theaterraum. YEAH!
Abby muss jetzt aber wirklich nervös sein, denn normalerweise würde sie über diesen Vollidioten einfach nur lachen.
» Nun…?«, meint Miss McDougle. » Haben wir noch jemand anderen hier?«
Die Assistentin sieht total panisch aus, als sie erwidert: » Nein, sind alle weg.«
» Oh, nun denn«, meint Miss McDougle. » Ich befürchte, das war’s dann, Avery. In deinem Lebenslauf steht, dass du schon sehr viel Tanzunterricht hattest. Ich finde, du hast deine Sache richtig gut gemacht. Vielen Dank, dass du gekommen bist.«
Wer zum Teufel ist » Avery«? Ich befürchte, Miss McDougle ist einfach nur hundemüde. Sie sollte sich wenigstens anhören, wie Abby singt.
» Mein Name ist Abby«, sagt diese schüchtern.
» Wie bitte?«, erwidert Miss McDougle abwesend. » Nun gut, Abby. Sieh mal, uns fehlen die Jungs. Trotzdem danke ich dir, dass du gekommen bist.«
Abbys Unterlippe fängt an zu zittern. Nicht doch, Baby. Du musst kämpfen! Du musst darauf bestehen, dass man dich vorsingen lässt. Du kannst unmöglich
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