Ich glaub, ich lieb euch alle
sie mir zuwerfen, geben mir in dieser Hinsicht eindeutig recht. Sie wollen mich aus dem Weg haben. Und es funktioniert, denn ich hab echt Angst.
Ich betrete den Tanzraum mit ungefähr zehn anderen Typen. Mein Name wird aufgerufen und sie heften mir die Nummer Einundzwanzig an die Brust. Ich sehe ein Klavier und eine ältere Lady in einem engen Turnanzug. Ich muss damit aufhören, ihr auf die Brüste zu stieren, denn nun sitzt plötzlich ein Typ am Piano und spielt und sie springt rum und zählt immer wieder bis acht.
» Fünf, sechs, sieben, acht, und eins, zwei, drei, vier«, brüllt sie, und dabei steppt, springt, kickt und schlängelt sie sich quer durch den Raum. » Chassé, arabesque, pas de bourrée, chassé, grand battement, pas de bourrée, Kick Ball Change, und das war’s!«, erklärt sie.
Was war das? Auf jeden Fall nicht Englisch. Wo zum Teufel ist Miss McDougle abgeblieben? In dem Film haben die doch nicht so geredet oder getanzt. Gangster wackeln doch nicht mit den Hüften! Sie wiederholt diese Moves noch ein paar Mal und die anderen Typen scheinen es langsam zu kapieren. Also tu ich so, als würde ich es auch checken, aber in Wahrheit hab ich keinen blassen Schimmer.
» Okay, jetzt teilen wir uns in Gruppen auf«, brüllt sie.
Drei Typen in einer Gruppe und jetzt sollen wir den ganzen pas de bourrée -Scheiß tatsächlich ganz allein wissen. Und welche Schritte wir in welche Richtung machen sollen, und dabei sollen wir auch noch korrekt mitzählen. Brando hatte mit arabesque ganz bestimmt nichts am Hut! Er sah einfach nur cool aus und ist lässig durch die Gegend geschlendert.
Meine Gruppe soll als Erstes vortanzen (war ja klar). Das Piano erklingt, und die anderen Typen legen mit ihren chassées und pas de bourrées los, und zwar ziemlich gut. Ich hingegen tu nichts weiter, als auf der Stelle auf und ab zu hüpfen.
Die Musik wird unterbrochen, und die Lady in dem engen Gymnastikanzug brüllt: » Nummer einundzwanzig, du hast das grand battement verpasst!«
Oh mein Gott! Ich hab das grand battement verpasst? Wie schrecklich leid mir das tut. Dachte ich’s mir doch, dass mir da irgendwas durchgegangen ist. Ach, so ganz nebenbei, was zur Hölle ist das eigentlich, ein grand battement? Ist das jetzt das Wackeln, der Kick oder das Marschieren?
Der Typ am Piano legt wieder los und wir sind noch einmal an der Reihe. Die Lady im Gymnastikanzug brüllt: » Fünf, sechs, sieben, acht!«
Ich hüpfe ein paar Mal auf und ab und renne dann quer durch den Raum.
» Nein, nein, NEIN! Einundzwanzig, du bist ja völlig aus dem Takt. Du hast den Einsatz verpasst. Noch einmal!«, blafft sie uns an. (Ich befürchte, ich verpasse einiges mehr als nur meinen Einsatz.) » Fünf, sechs, sieben, acht!«, brüllt sie.
Ich marschiere einen Augenblick lang auf der Stelle, dann mache ich einen Ausfallschritt, kicke das Bein und wackle mit den Hüften.
» Neeeeein, Einundzwanzig! Du hast ja keinerlei Gefühl für die Musik«, sagt sie und schüttelt angewidert den Kopf.
Ich schaue sie finster an. Wer hat hier schon Zeit für irgendein Gefühl? Ich bin viel zu sehr damit beschäftigt, zu zählen und mit dem Hintern zu wackeln, als dass ich irgendetwas fühlen könnte. » Was denn?«, frage ich ein wenig eingeschnappt.
» Du kommst mit deinen Schritten nicht hinterher, weil du dich nicht in die Musik hineinfühlst, junger Mann. Du bist viel zu zögerlich!«
» Ich bin viel zu › zögerlich ‹ , weil ich mich nicht an die verdammte Schrittfolge erinnern kann und außerdem verstehe ich kein Japanisch!«, blaffe ich zurück.
Ooops, ich hab soeben die Turnanzuglady angepflaumt. Aber komischerweise scheint ihr das zu gefallen, denn nun sagt sie: » Denk nicht an die Schritte; du musst es fühlen, und fang an, sobald du bereit bist. Die Schritte kommen dann wie von selbst. Warum versuchst du es nicht einmal ganz allein? Ich hab das Gefühl, die anderen Jungs beeinflussen dich negativ«, meint sie.
Klar, sie sind es, die mich › negativ beeinflussen ‹ .
Ich frage sie: » Gefühl ist also wichtiger als die korrekten Schritte?«
» Ja, beim Tanzen ist Gefühl das Wichtigste. Beim Theaterspielen steht Leidenschaft im Vordergrund. Schritte sind nichts weiter als Schritte, Worte sind nichts als Worte und alles ist nichts ohne Emotionen!«, erklärt sie.
Diese Lady macht mich langsam echt sauer. Warum zum Teufel hat sie uns dann eigentlich dieses ganze Marschieren, die beschissenen Schritte und das Arschgewackle
Weitere Kostenlose Bücher