Ich glaub, ich lieb euch alle
zieht er den Schlussstrich mit den Worten: » Nun, wir stehen hinter dir… oder neben dir, egal, wofür du dich letztlich entscheidest.«
» Danke, gut zu wissen«, erwidere ich verlegen.
Er dreht sich um und will ins Haus zurückgehen, dann hält er aber noch einmal inne. » Hey, noch etwas. Unten im Keller läuft immer wieder mal ein Pornovideo, das jemand vergessen hat auszuschalten, ist das deins?«
» Äh, vielleicht«, erwidere ich.
Er seufzt: » Gut, okay. Es ist nur so, das Video läuft dauernd im Fast-Forward-Modus, erinnert an eine von diesen durchgeknallten Vormittagsshows, und das macht mich echt krank. Warum schaltest du es nie ab… wenn du fertig damit bist?«
» Das ist eine gute Frage, Dad. Ich hab das Gefühl, ich bin irgendwie zurückgeblieben oder so. Meine Theaterlehrerin meint, ich wär noch › in der Entwicklung ‹ . Ihrer Meinung nach ist das eine gute Sache«, erwidere ich.
» Jetzt hör auf mit dem Scheiß«, motzt er mich an. » Wenn deine Mom diesen Schweinkram findet, rastet sie aus. Sie hält dich immer noch für einen braven kleinen Jungen, und dann schickt sie dich zum Psychologen, was wir uns im Augenblick ganz und gar nicht leisten können, also hör auf damit. Und noch etwas, solche Filme und Porno im Allgemeinen– das ist nicht gut für dich. Alles, was sie da zeigen, hat nichts mit der Realität zu tun. In Wirklichkeit geht das alles ganz anders.«
» Ach, das weiß ich doch, Dad«, sage ich voller Überzeugung.
» Wirklich?«, hakt er nach.
» Klar, so schnell könnte ich niemals werden, selbst wenn ich jeden Tag üben würde«, erwidere ich.
» Jetzt ist aber Schluss!«, meint er und stampft kopfschüttelnd ins Haus. Der Ärmste.
Ungefähr viereinhalb Stunden später
Um neun Uhr morgens werde ich durch Klopfgeräusche von draußen unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ich fühle mich, als wäre ich eben erst ins Bett gegangen. Brock und mein Dad reparieren gemeinsam den demolierten Gartenzaun. Mein Dad fuchtelt mit dem Hammer direkt vor Nicks Gesicht herum. Das Geräusch ist verdammt laut und Nick kann heute Morgen offensichtlich noch keinen Lärm vertragen. Mein Dad ist schon lustig.
Lynn schläft noch, sehr zum Wohle aller, daher zieh ich meinen Mantel an und geh raus, um Grassamen in die tiefsten Furchen von den Reifen zu sähen. Wir müssen den alten Truck auf die Straße rausschieben, weil er nicht anspringen will.
» Das ist aber komisch«, sage ich zu Nick. » Gestern Nacht ist er noch gefahren wie eine Eins.«
Ich werfe alle Steine und Balken auf einen Haufen, dort wo ich mit dem Truck die Schutzmauer durchbrochen habe. Sie sieht so gut wie neu aus (mehr oder weniger). Nachdem mein Vater ins Haus gegangen ist, kommt Brock mit seiner demolierten Stoßstange in der Hand auf mich zu. Langsam trete ich den Rückzug an, als er plötzlich völlig überraschend sagt: » Tut mir leid, dass du meinetwegen gestern Nacht Ärger bekommen hast.«
Ich hab irgendwie das Gefühl, dass er sich soeben bei mir dafür entschuldigt, dass ich seinen Truck ruiniert habe.
» Ich will dir ja nicht vorschreiben, was du zu tun hast, Nick, aber du musst dich nicht…«
» Und ob ich das muss; du nimmst dich mir als Vorbild und siehst zu mir auf, und ich enttäusch dich, indem ich mich vollkommen zulaufen lasse.« Kann sein, dass es an dem eisigen Wind liegt, aber irgendwie sieht er aus, als würde er gleich losheulen.
Jeder sieht zu Nick Brock auf, weil er so groß ist, ich aber tu es, weil er so cool ist. Wenn im Hintergrund kitschige Geigenmusik zu hören wäre, dann würde ich ihm jetzt die Arme um seinen Stiernacken schlingen und heulen: » Ist schon okay, Brocky, ich hab dich trotzdem lieb!« Stattdessen kicke ich mit dem Fuß einen Stein zur Seite und sage: » Alter, war verdammt geil, deinen Truck zu fahren.«
Er lacht. » Sieht aber ganz so aus, als hättest du mit dem Anhalten Probleme gehabt…«
» Ich war halt grad so in Fahrt!«
Er hält die Stoßstange hoch und kichert: » Dann bist du also durch die Luft gesegelt, wie?«
» Ja, wie in Ein Duke kommt selten allein, Mann! Wenn du bloß wach gewesen wärst, du hättest dich total gut amüsiert.«
Er lacht immer noch, also wage ich den nächsten Schritt und erleichtere mein Gewissen, indem ich ihn darüber aufkläre, warum er in naher Zukunft vielleicht angehalten wird und im Gefängnis landet, weil er sich der Festnahme widersetzt hat. » Möglicherweise hab ich auch noch einen Cop von der Straße
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