Ich glaub, ich lieb euch alle
ja am liebsten nach zehn Minuten schon alles hingeschmissen und wäre jetzt längst daheim … wenn Andre nicht wäre. Aber der Penner ist nun Mal hier, und das treibt mich an, mit den Beinen zu strampeln und mit den Armen das Wasser zu bearbeiten, bis sie mir abfallen. Natürlich pass ich auf, dass mir die Arme nicht abfallen, denn das würde Andre nur zu glücklich machen. Wenn es sein muss, schwimme ich bis zuletzt im Hundestil, aber ich werd ihm nicht die Genugtuung gönnen, dass ich aufgebe.
Beim Abendessen verdrücke ich die übliche Portion von Moms berühmter (überhaupt nicht!) Truthahn-Pasta. Und trotzdem hab ich noch immer verdammten Hunger. Ich brauch heute mindestens die doppelte Portion, damit ich satt werde. Das einzige Problem ist, dass ich nicht an die Schüssel rankomme. Sie ist nur einen halben Meter von mir entfernt, aber es könnte genauso gut auch eine ganze Meile sein. Ich komm einfach nicht ran. Mein Gehirn schickt verzweifelt Signale an meine Arme, mehr von der Pasta zu nehmen, aber meine Schultern sind wie gelähmt. Ich werde verhungern, ehe dieser Arm es schafft, sich so weit wie nötig zu strecken.
Ich kann gerade noch die Kraft aufbringen, in mein Zimmer zu gehen und auf meinem Bett zusammenzubrechen. Es ist erst Viertel vor sieben und ich schlafe wie ein Toter. Kein Schlafanzug, die Zähne nicht geputzt, einfach nur die Augenlider zu und ab in die Welt der Träume. Die ganze Nacht hindurch jage ich Andre hinterher. Er sitzt in einem Auto und ich renne ihm hinterher. Er sitzt in einem Boot und ich schwimme hinterher. Ich sitze auf einem Fahrrad und er steht auf einem Raketenschiff. Zwölf Stunden und zwanzig Minuten lang verfolge ich ihn. Als mein Dad mich schließlich aufweckt, bin ich immer noch genauso müde wie in dem Moment, als ich auf der Matratze zusammengebrochen bin. Man kann einfach nicht von erholsamem Schlaf reden, wenn man in seinen Träumen permanent einem Typen hinterherhetzt.
Total schwule Minzsalbe
Bis heute Morgen hatte ich noch geglaubt zu wissen, was Schmerzen sind. Mom muss Lynn unbedingt eine Nachricht in die Schule mitgeben : Carter kann heute nicht am Unterricht teilnehmen, weil er gelähmt ist.
Angeblich ist Schwimmen ja das gesündeste aller Trainings. Nun, wer auch immer das behauptet, der kennt Coach Barker nicht. Ihr Schwimmtraining bringt einen echt um! Trotzdem gehe ich wieder hin. Andre soll die Schwimmbahn auf keinen Fall für sich allein haben, und er darf niemals mitkriegen, was für eine Pussy ich tatsächlich bin.
Eine Ladung Schmerztabletten zum Frühstück sollte helfen, und solange ich mich nicht bewege, geht es mir einigermaßen gut. Eigentlich fühle ich mich schon wieder ganz prima. Gestern Abend hab ich keine Hausaufgaben gemacht, aber ich hab sowieso gerade einen richtig guten Mathetest abgelegt. Ich brauch nicht mehr zu lernen; ich muss mehr schlafen.
Ich würde ja gern mit den Jungs bei den Schließfächern abhängen, aber irgendwie stinkt es heute ganz schön in den Gängen. Als hätte jemand Pfefferminzsäure verschüttet.
» Riecht so, als wäre hier in der Gegend eine Fabrik für Pfefferminzbonbons explodiert!«, sagt Bag.
» Was meinst du?«, erkundige ich mich.
» Riecht schwul«, meint J-Low.
Der Football-/Wrestling-Coach kommt daher und fängt an zu lachen. » Puh, hier hat wohl jemand Minzsalbe für sich entdeckt!«
Es stinkt gewaltig, aber anscheinend muss es helfen, denn dem Geruch nach benutzt so gut wie jeder das Zeug. Meine Augen tränen wie verrückt, doch meine Nebenhöhlen sind so frei wie noch nie.
» Ich hab mir ein wenig von dem schwulen Zeug auf den Nacken geschmiert«, meint Hormone. » Aber irgendjemand muss darin gebadet haben!«
» Mann, mir tut auch mein Nacken weh«, sage ich, als hätte mich irgendwer gefragt. » Ich hab aber nur eine Ladung Schmerztabletten genommen.«
Der Coach wirft mir einen angewiderten Blick zu und sagt: » Warum denn, bist du gegen den Beckenrand gedonnert?«
Alle brechen zusammen vor Lachen, so als wäre das der beste Witz aller Zeiten, und er stolziert durch den Flur und bildet sich wer weiß was ein, weil er es einem Vierzehnjährigen mal so richtig gezeigt hat. Du musst noch viel lernen; warum gehst du nicht an die Tafel und erarbeitest dir noch ein paar so geistreiche Bemerkungen, du Wichser!
» Wer ist hier schwul?«, will J-Low wissen, der wie ein Journalist immer gleich eine Story wittert.
Gestern haben die ganzen Wintersportler mit dem Training angefangen.
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