Ich glaub, ich lieb euch alle
auf den Graben acht! Rote Ampel! Fahr langsamer! Pass auf!«
Vor Abbys Haus halte ich mit quietschenden Reifen an, und noch bevor ich etwas sagen kann, ist sie bereits aus dem Wagen gesprungen. Kein Dankeschön, kein Auf Wiedersehen, einzig eine schöne Aussicht auf ihren Hintern gönnt sie mir, als sie im Haus verschwindet. Ich mag den Anblick ja, aber irgendwie war das schon unhöflich.
Ich fahre mit quietschenden Reifen los, nicht weil ich sauer bin oder so, sondern weil man mit einem solchen Truck einfach nicht anders fahren kann. Ich höre ein dumpfes Geräusch von hinten, und ich drehe mich um und sehe, wie meine Schwester auf der schmutzigen Rückbank hin und her rollt. Zum Glück ist sie bewusstlos, denn sobald sie aufwacht, stecke ich ganz schön in der Klemme. Ich wende den Blick zurück auf die Straße und stelle fest, dass ich auf der falschen Straßenseite fahre. Verdammt! Ich lenke den Wagen ganz ruhig zurück auf die richtige Seite. Wie groß ist schon die Chance, dass um drei Uhr morgens ein anderes Auto über diesen Hügel gefahren kommt?
Ziemlich groß natürlich, wenn man das erste Mal ein Auto fährt und man Will Carter heißt.
Ich nehme die Scheinwerfer wahr, und EJ fängt an zu kreischen und bestätigt dadurch meine Theorie, dass wir nun jeden Moment sterben werden. Ich kann weder Arme noch Beine bewegen, um irgendetwas zu unternehmen, aber Gott sei Dank schafft der Fahrer des anderen Wagens das, weil ich in diesem Augenblick nur noch geradeaus fahre.
Bullen erhalten speziellen Fahrunterricht, bei dem sie lernen, gerade noch im letzten Moment auszuweichen. Verdammt!
EJ bestätigt erneut meine Theorie. » Ein Bulle«, keucht er, während der Polizeiwagen in den Graben schlittert.
» Oh mein Gott, war das vielleicht der Bulle, der mich auf der Party erwischt hat?!«, kreische ich.
» Ich glaube, ich hab einen Schnauzbart gesehen!«, erwidert EJ.
» Soll ich anhalten?«, frage ich.
» Klar solltest du anhalten… wenn du wissen willst, wie es im Gefängnis so ist!«, heult EJ. » Gib Gas!«
Ich beschleunige und rase die Straße runter, doch als ich in den Rückspiegel sehe, kann ich nur Lynn erkennen, die hin und her geschleudert wird. Vielleicht denkt der Bulle ja, ich sei ein Ausländer. Wenn ich den Truck in England fahren würde, hätte ich kaum ein Problem, aber wir sind hier in Merrian, und jetzt lässt er da hinten seine Lichter blinken, als wäre es ihm egal, woher ich komme. Ich hoffe wirklich, dass es nicht der Cop vom letzten Mal ist. Wie peinlich muss es für ihn gewesen sein, dass ihm ein vierzehnjähriger Gefangener entwischt ist? Und ich bin mir sicher, dieser Rottweiler hat ihn deshalb auch ganz schief angesehen und gedacht: » Barney, du Vollidiot!« Niemand lässt sich gern von seinem Hund unterbuttern. Und schon gar nicht ein Cop.
Ich biege scharf nach Links ab, in Richtung Zuhause, und dabei hebt die rechte Hälfte des Trucks vom Boden ab wie in Ein Duke kommt selten allein (soooo cool). Wahrscheinlich sollte man mit der Geschwindigkeit runtergehen, bevor man abbiegt. Ich hab unsere Straße noch nie bei einer Geschwindigkeit von sechzig Meilen die Stunde betrachtet. Ich erkenne sie fast nicht wieder. Ich versuche, scharf rechts in unsere Einfahrt abzubiegen, doch stattdessen lande ich im Garten unserer Nachbarn und mähe deren Sträucher um. Ich verfehle nur knapp die Ecke von unserem Haus und zerlege dafür unseren Briefkasten in tausend Stücke. Der Truck zerquetscht die Hecke, die ich eigentlich letzten Sonntag hätte zurechtschneiden sollen (dann kann ich das wohl von meiner To-do-Liste streichen).
Ich versuche, auf die Bremse zu treten, erwische aber aus Versehen das Gaspedal und krache mitten in eine Schutzmauer, die mein Dad letztes Jahr errichtet hat. Lynn fliegt durch die Luft wie eine nasse Spaghetti und landet unsanft auf dem Rücksitz.
» Mann, wir sind richtig geflogen!«, schreit EJ in dem Moment, als die vordere Stoßstange krachend am Boden landet und sich verabschiedet.
Wir rumpeln über die Stoßstange drüber, rammen meinen Basketballkorb, brechen durch den hölzernen Zaun im hinteren Garten und kommen endlich schleudernd zum Stehen, wobei wir mit den riesigen Reifen ein paar Büschel Gras mitnehmen. Ich mach das Licht an und stell den Motor ab. Der raucht und macht eigenartige dröhnende Geräusche. Scheinbar hat er keine Lust darauf, abgestellt zu werden.
Mein Dad kommt in Unterwäsche mit einer Taschenlampe und einem Golfschläger in der
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