Ich glaub, ich lieb euch alle
Vielleicht war es aber auch einer von den Theaterleuten, der das schwule Minzzeug benutzt hat, denn die haben mit den Proben für eine Show mit dem Titel Stomp begonnen. Wenn ich das Zeug kennen würde, würde ich es vielleicht sogar selbst benutzen. Aber ich bin schon froh, dass ich es nicht war, denn es macht unheimlich Spaß, nach dem größten Weichei der ganzen Schule zu suchen. Ich frage mich, wer sich wohl demnächst einen neuen Spitznamen à la Minzschwuchtel verdienen wird.
Nach der Biostunde hab ich nur noch eine Stunde bis zum nächsten Schwimmtraining. Ich bin eigentlich nie gern geschwommen, aber so wenig Lust wie heute hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht. Lieber würde ich meine Speedo-Badehose aufessen, als sie anzuziehen. Sie ist noch klitschnass, als ich sie am Boden meines Schließfachs zusammengeknüllt in einer Ecke liegen finde. Ich habe gestern nicht mehr viel gedacht. Zum Teufel, ich dachte gestern noch nicht einmal, dass ich die Nacht überleben würde, geschweige denn, dass ich jemals wieder auf der Suche nach meiner Schwimmbrille vor diesem Schließfach stehen würde.
Andre macht ganz allein Dehnübungen am Beckenrand, als ich am Pool ankomme. Er sieht aus, als hätte er trainiert oder so. Er glänzt wie ein Bodybuilder in seiner winzigen Speedo. Ich muss immer zusätzlich ein Handtuch oder Shorts darüber tragen. In Speedos allein seh ich nicht so besonders gut aus. Als ich am Sprungbrett vorbeitapse, trifft mich eine Wolke Pfefferminzgestank. Je näher ich Andre komme, desto weiter öffnen sich meine Nebenhöhlen. Vielleicht hab ich endlich die Minzschwuchtel gefunden!
» Stinkt ganz schön hier drinnen… findest du nicht?«, frage ich ihn.
Er erwidert nichts. JEP! Nach dem gestrigen Tag tut ihm also alles dermaßen weh, dass er sich mit fettiger schmerzstillender Salbe einbalsamiert hat. Wie geil ist das denn! Noch eine Schmerztablette, und ich würde wahrscheinlich im Koma liegen, doch davon weiß niemand etwas außer mir! Andres Schmerz hingegen können alle regelrecht aus einer Meile Entfernung riechen. Keiner im Team sagt während der Dehnungsphase des Trainings auch nur einen einzigen Ton, aber alle halten Abstand zu ihm.
Dann springen wir in den Pool, wenn auch etwas langsamer als gestern. Mir bleibt ebenfalls nicht verborgen, dass sich heute ein paar weniger Typen im Pool rumtreiben als gestern.
» Zweihundert zum Aufwärmen. Aber langsam, Jungs«, brüllt Coach Barker.
Wir schwimmen los, und ich brech heute sicherlich keine Rekorde, aber immerhin. Meine Schwimmbahn ist eklig. Denn der, mit dem ich die Bahn teile, hinterlässt einen schmierigen Film auf dem Wasser, und alle paar Minuten krieg ich den widerlichen Minzgeschmack ab, doch ich bin überglücklich zu wissen, dass Andre Schmerzen hat.
Mit dem Aufwärmtraining sind wir fertig und wir dürfen uns eine Sekunde lang am Beckenrand ausruhen. Ich wette, wir wären ein paar Leute mehr, wenn wir das auch gestern ein bisschen öfter gemacht hätten, Coach.
» Tut dir irgendwas weh, Carter?«, schnaubt Andre.
Oh nein, vergiss es, du Arsch. Du und ich? Wir sind keine Freunde! Du bist mein ärgster Feind. Und wenn mir hier und da was wehtut, dann ist das deine verdammte Schuld. » Nee, nicht wirklich«, sage ich und mache die ersten richtig fiesen Schwimmzüge.
Während der Pausen rede ich kein Wort mit ihm; ich rede ja sonst auch nie mit ihm. Von mir aus können wir uns diese Bahn die nächsten vier Jahre teilen, ich werd keinen Ton von mir geben. Normalerweise bin ich derjenige, der die ganze Zeit rumalbert, die Hälfte der Übungen schwänzt und sich nicht wirklich viel Mühe gibt. Doch die Zeiten sind vorbei! Nicht solange ich auf dieser Bahn schwimme! Jetzt mache ich Ernst.
Die krasseste aller Schwimmdisziplinen ist das Vierhundert-Meter-Staffelschwimmen. Nur vier Abschnitte insgesamt, und es ist deine individuelle Zeit, auf die es ankommt. Man kann der coolste Typ der Welt sein, aber wenn man auch nur den Bruchteil einer Sekunde langsamer ist als der größte Vollidiot der Erde, dann ist man draußen! Andre ist der viertschnellste Typ (gleich hinter drei Seniors) und ich bin die Nummer fünf. Also hat der Arsch nicht nur beim Football, sondern auch beim Schwimmen ein Abzeichen geholt. Wir beide schlagen einen Junior, der im vergangenen Jahr im Staffelteam war, daher werde ich wieder mal die Hoffnung für das Junior-Schulteam sein. Ich hab zwar noch keine Auszeichnung, aber für einen Freshman ist das nicht
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