Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
Stimmt die Zahl? Oder steckt irgendein Querulant dahinter, der mit einer Statistik irgendetwas beweisen will? Als Journalistin ist Hartnäckigkeit eine Primärtugend, als Vollzeit-Mami allerdings eine Steilvorlage, seiner Umwelt gehörig auf die Nüsse zu gehen. Schmeckt der Blumenkohl auch wirklich bio? Ist das Lamm-Cashmere-Jäckchen auch wirklich warm genug bei 15 Grad? Gibt es da nicht eine Studie, die giftiges Arsen in Baby-Federkernmatratzen nachgewiesen hat? Und gehören diese deshalb nicht vom Markt? Will ich, dass ein Penner, pardon, ein Obdachloser, auf der Spielplatzbank eine Flasche Bier öffnet? Nein! Werde ich zulassen, dass mein Kind nicht auf die beste empfohlene Schule geht? Auf keinen Fall! Werde ich prüfen, ob jedes Spielzeug TÜV-geprüft ist? Jawohl!
Zugegeben, ich habe einige Ansätze zur übervorsichtigen Super-Zicken-Mutter in mir. Und das ist gefährlich! Ehe ich mich versehe, latsche ich täglich mit dem Kinderwagen zur PEKiP-Nacktspiel-Gruppe, tratsche mit meinen Stirnband-Öko-Filzjacken-Freundinnen über die neueste Naturkosmetik und futtere Kekse, während mein Kerl Überstunden in der Kneipe schiebt und seine Sekretärin mit dem Fick-mich-Röckchen nagelt. Niemals!
»Also irgendwann muss man auch wieder das Babe sein«, protestierte meine Freundin Nela neulich, nachdem ich ihr erzählte, dass ich mittlerweile fingerdicke Binden gegen Schwangerschaftsausfluss trage. Sie hat recht. Vermutlich genauso wie Annika.
Annika Line Trost ist eine Hälfte des berühmt-berüchtigten Elektro-Punk-Duos Cobra Killer, das sich auf der Bühne mit Rotwein überschüttet. »Die echten Freaks«, meinte sie in einem ruhigen Moment zu mir, »triffst du nicht bei Party-Orgien backstage, sondern auf dem Spielplatz.«
Also, Lisa, was meinst du? Babe bleiben? Freak oder Fettarsch werden? Wie kann ich verhindern, dass ich mich in eine asexuelle, überbesorgte Babyflüsterin in Funktionskleidung verwandele? Und: Geht das überhaupt?
Liebe Caro,
anscheinend hast du ein Problem mit fetten Ärschen. Das ist aber sicherlich behandelbar, andere haben halt Angst vor Spinnen. Der Zusammenhang zwischen Müttern und dicken Hinterteilen erschließt sich mir also nicht so ganz – zumal gerade in Mitte und Prenzlauer Berg, also dort, wo wir wohnen, die Mütter ja so angefeindet werden, weil sie eben schon wieder gertenschlank sind, wenn sie den Kreißsaal verlassen, und sich dann stylen, als wollten sie den nächsten Spielplatzpapi vernaschen. Wo ich hinschaue, wenn ich mich auf den Balkon stelle – überall Babes. Trotzdem gibt es sie natürlich, die hypersensiblen Muttertiere. Neulich kam eines an mir vorbeigefahren. Auf dem Gehweg mit dem Fahrrad – fast hätte sie eins meiner drei Kinder zu Matschgefahren. Und als ich böse hinter ihr herschaute, drehte sie sich mit einer sportlichen Bewegung um, zeigte auf die kleine Kiste mit dem frischen Broccoli, dem Lauch und der Gurke auf ihrem Gepäckträger und sagte: »Mein Gemüse kann eben nicht so gut Kopfsteinpflaster vertragen.« Ehrlich gesagt: Dem habe ich nichts hinzugefügt. Wenn es mit dieser Frau schon so weit gekommen ist, dann ist sie gestraft genug. Manche Mütter werden so! Denen ist das Biogemüse, das sie gleich unter dem Pürierstab für ihr Engelchen schreddern, wichtiger als das Wohl andererleuts Kinder.
Die sitzen dann da in ihren Babykursen und die ganze Welt dreht sich um sie und ihre kleinen Schnuffipuuhs. Und um ihren dicken Arsch, der einfach nicht schmaler werden will. Du sagst dann nicht: Na, vielleicht sitzt du dann einfach nicht den ganzen Tag keksfressend auf Isomatten in Babykurs-Räumen rum und bewegst dich mal. Du sagst dann: Ja, stimmt, bei mir ist der Bauch auch noch nicht ganz weg. Wie oft schreien denn eure Babys so in der Nacht?
Nein, sagst du dir jetzt, so etwas werde ich nicht fragen. Doch, meine Liebe, das wirst du. Denn nichts in der Welt ist nach der Geburt wichtiger als der Austausch mit ebenfalls Betroffenen. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass das deine besten Freunde werden müssen. Nein. Nennen wir sie lieber: Lebensabschnittsbegleiter. Und ob du öko einkaufst oder nicht, das ist deinem Kind so was von schnurzpiepegal, das entscheidest allein du. Genauso hält es sich mit wetterfester Kleidung, Tupperware und Fahrradanhängern. Du kaufst nur das, was für dich infrage kommt. Aber vielleicht verkrampfst du dich nicht zu stark darauf, dich auf keinen Fall verändern zu wollen und niemals in all die Klischees zu
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