Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
jetzt meine große Chance, das Halbwissen meines wochenlangen Medizinstudiumsan der Google-Uni zu testen. »Was ist eigentlich mit Nabelschnurknoten? Können Sie die auf dem Ultraschall sehen?«, frage ich leise. »Frau Rosales, es ist wahrscheinlicher, dass Sie vor ein Auto laufen«, antwortet dieser routiniert, während er blasiert in die Leere blickt. Ich weiß, was er jetzt denkt: »Das ist so eine Hysterikerin, die zu viele Foren liest.« Aber das lasse ich nicht auf mir sitzen: »Wissen Sie, es ist mein erstes Kind …« Der Oberarzt unterbricht mich: »Aber das wird nie besser. Frauen sorgen sich immer. Auch wenn es das sechste Kind ist.« Ich schaue resigniert auf den Boden. Vermutlich hat er recht. Es ist alles in Ordnung, ich bin hysterisch, aber er ist dafür frustriert. Frustriert von den vielen Frauen, die Dr. Google jeden Tag seit Anbeginn der Internet-Ära mit diffusen Selbstdiagnosen zu ihm treibt.
Das Phänomen heißt übrigens Cyberchonder. Laut Untersuchungen des Branchenverbandes Bitkom suchen bereits 28 Millionen Bundesbürger (und nicht nur Schwangere!) Erste Hilfe im Internet, indem sie ihre Symptome ins Suchfeld eingeben. Rund 60 Prozent aller Internetnutzer erkundigen sich im Netz nach Krankheiten, Verletzungen und gesunder Ernährung. Wie weit Pharmakonzerne, die ihre Medikamente an die Mami bringen wollen, in Foren mitschreiben, kann man allerdings nur vermuten. Klar, man muss nicht alles für bare Münze nehmen, was im Internet steht. Aber mal ehrlich, Lisa: Hundert Tipps sind besser als einer. Ein paar Google-Klicks sind bestimmt ergiebiger als diese rosa Schwangerschaftsratgeber, in denen steht, dass alles gut wird, obwohl du dich halbtot vor Unterleibsschmerzen auf der Couch krampfst. Oder übertreibe ich da? Wie soll man’s denn jetzt nun halten?
Liebe Caro,
ganz ehrlich: Ich halte wenig von Internetdiagnosen. Wenig bis gar nichts. Kauf dir einen Ratgeber, wenn dich das alles so interessiert, oder such dir eine gute Website, die unabhängig informiert. Die dir Infos gibt, statt Angst zu machen. Solche gibt’s! Aber diese ständige Abhängerei in Internetforen voller hysterischer Schwangerer ohne auch nur den Anschein jeglicher Professionalität,die macht dich doch noch ganz krank. Wenn schon nicht im Bauch, dann zumindest im Kopf. Aber ich will ja nicht so sein, hab für dich ein bisschen recherchiert und bin auf erstaunliche Dinge gestoßen.
Zunächst einmal gebe ich »Schwangerschaft« in die Facebook-Suchfunktion ein. Da erscheint dann auch tatsächlich eine Seite, deren Einordnung mich dann aber doch stutzen lässt: Die Seite läuft unter der Rubrik »Krankheiten«. Das sagt für mich schon alles. Ich suche weiter und da, tatsächlich, entdecke ich, dass der Dammriss eine eigene Facebook-Seite hat! Und damit nicht genug. Er hat auch noch acht »Fans«. Dammriss – I like! Oder was? I DON’T LIKE. Es gibt Facebook-Seiten zu Schwangerschaftsabbruch, -test, -diabetes, -dauer, -beratung und -erbrechen. Die Facebook-Seite zum Babybauchsingen wurde 152 Mal mit »Gefällt mir« angeklickt, das Schwangerschaftserbrechen bringt es immerhin auf 16 »Fans«. Die Seite »Uterus Schleimpfropf« hat hingegen keine Fans, dafür aber eine wundervolle rosafarbene Stofftier-Gebärmutter mit Gesicht als Profilbild. Es ist unfassbar, Caro. Lass die Finger davon.
Für dich hab ich mir dann auch noch die Startseite von Wikipedia.de angeschaut. Nichts ahnend. Normalerweise suche ich Informationen zu einem bestimmten Thema, Google liefert einen Link und schon bin ich drin im Wikipedia-Artikel. Nun war ich also zum ersten Mal auf der Startseite und ich bekam fast Augenkrebs. Der Artikel des Tages zeigte mir einen tiefen, nein, einen zu tiefen Einblick in eine Vagina. Irgendwie war es mein PIP, persönlicher Internet-Pechtag. Ja, nach zwei Schwangerschaften bin ich eigentlich schon relativ abgestumpft, ich musste mich bei Streuselkuchen neben meinem Mann von der Hebamme nach »meinen Erfahrungen mit Hämorrhoiden« fragen lassen, ich wurde vorgewarnt, dass Schwangere oft während der Geburt Stuhlgang haben, weil »das Köpfchen den Darm frei presst«. Ja, und da bei mir dann immer ein Kopfkino beginnt mit all den unschönen Bildern voller Geburtsbadewannen mit Fäkalzusatz, dachte ich eigentlich, mich könnte nichts mehr schocken. Nun ja. Die Wikipedia-Scheide schockte mich dann doch. Vielleicht, weil ich auf einer Enzyklopädie solche Einblicke nichterwartete, vielleicht aber auch, weil ich die
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