Ich greife an
fürchtete, Jakows Berichte vom Dienst an der Grenze und vom Kampf gegen Banditen zu verpassen. Mich verlangte es, seine Uniform anzuziehen. Doch ich war noch zu klein, und als ich eine „Anprobe" versuchte, „ertrank" ich förmlich.
SPIELE
Von jüngsten Jahren an vergnügten wir uns mit einfachen dörflichen Spielen, deren es bei uns sehr viele gab.
Es war Winter. Über den See spannte sich eine dünne Eisdecke. Ungeduldig warteten wir, bis sie endlich fester geworden war. Und schließlich hörte man dann draußen einen der Freunde rufen: „Kommt, Jungens, wir bauen ein Karussell!"
In wirrem Knäuel rannten wir dann zum See, schlugen einen Pflock ins Eis, setzten ein Wagenrad darauf und befestigten an diesem eine lange Stange. Am freien Ende der Stange wurde ein Schlitten angebunden, auf den man sich bäuchlings legte. Die Jungen drehten nun das Rad, und man sauste mit dem Schlitten im Kreise herum, daß es in den Ohren nur so pfiff. Hielt man sich nicht fest, flog man in hohem Bogen herunter. Riß sich der Schlitten einmal los, sauste man sogar bis ans Ufer. Auch die Erwachsenen kamen häufig hinzu, um sich unser Karussell anzusehen.
Die Weihnachtswoche rückte heran, Silvester stand vor der Tür. Im ganzen Häuschen duftete es appetitlich nach Gewürzen und Honig. Mutter kochte Reis mit Rosinen. Aber mich zog es oft auf die Straße hinaus. Gewöhnlich rückte am späten Nachmittag eine ganze Schar Jungen an und rief: „Komm, Loban, wir gehen bis zum Abend Kuchen singen!"
Das Kuchensingen, ein Überbleibsel aus alter Zeit, war für uns Kinder ein Spiel. Wir schütteten Hirse, Gerste und Erbsen in einen Sack, dies bezeichneten wir als Getreide, gingen von Haus zu Haus und streuten das Getreide in die Fenster.
Einer von uns begann mit hoher Stimme ein Scherzlied zu singen:
„Der Herr, wir wollen nicht unken,
Der Herr und sein Hund sind betrunken."
Nun fielen die anderen ein und sangen, die Worte in die Länge Ziehend:
„Guten Abend!
Der Herr liegt im Schlitten,
Mit seinen Hosen im Schlitten.
Guten Abend!"
Die Leute gaben uns Süßigkeiten und Kuchen. Singend, tanzend und lachend zogen wir so durch das ganze Dorf.
Im Frühjahr traten die Dorfteiche und Seen über die Ufer. Die kleinen Brücken wurden vom Wasser überflutet. Es war schwierig, zur Schule zu gelangen. Da ich nicht allzu groß war, hatte ich unter dem Frühjahrshochwasser besonders zu leiden, denn mancherorts mußte ich eine Furt durchwaten.
Ich verschaffte mir zwei Stangen und Nägel und bastelte mir Stelzen. Um nicht auf dem Eise auszugleiten, das sich noch hie und da unter dem Wasser befand, schlug ich Nägel in die unteren Enden.
Ich trainierte lange auf dem Hofe, bevor ich mich auf einen weiten Weg begab. Anfangs verlor ich immer das Gleichgewicht und fiel hin, aber allmählich gewöhnte ich mich an die Stelzen und schritt sicherer aus. Man lachte über mich. Als ich jedoch über die Straße ging! ohne nasse Füße zu bekommen, erlaubte mir Vater, mit den Stelzen in die Schule zu gehen.
Schon am nächsten Morgen nahm ich meine Stelzen und machte mich auf den Weg. Ich durchschritt mit ihnen tiefe Stellen und ging quer durch das Wasser. Anfangs erkannten mich die Dorfhunde nicht. Sie stürzten bellend auf meine langen Holzbeine los. Ich war sehr zufrieden mit meinem Einfall.
Als ich auf den Schulhof kam, umringten mich die Kinder von allen Seiten. Nina Wassiljewna lachte laut auf, als sie mich auf den hohen, plumpen Stelzen erblickte. Sie lobte meinen Einfall.
Als es trocken geworden war, baute ich mir auf der Straße vor unserem Häuschen ein Reck. Ich besorgte mir ein rostiges Rohr und befestigte es zwischen dem Zaun und einem in die Erde gegrabenen Pfahl. Mein Reck erwies sich als sehr wenig haltbar. Wenn ich übte, hielten es die Kinder fest, damit ich nicht herabflog. Die Passanten blieben stehen und sahen meinem „Zirkus" zu.
Bald darauf kam ein richtiger Zirkusartist in unser Dorf. Er trat im Klub auf. Er war erstaunlich stark! Er stand mit weitgespreizten Beinen auf der Bühne, und zehn Mann vermochten nicht, ihn fortzuziehen. Die Zuschauer staunten gewaltig.
Als der Athlet wieder fortgefahren war, konnten wir Kinder ihn lange nicht vergessen. Ich kam damals auf die Idee, ebenfalls ein Kraftmensch zu werden.
Abends kamen die erwachsenen Burschen auf der Straße neben dem Klubhaus zusammen und wetteiferten in Kraftübungen. Einer brachte ein 32 Kilogramm schweres Gewicht mit. Aber außer einem kompakten, kräftigen
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