Ich greife an
und dann sprach sie, beinahe wie befehlend: „Du kennst meine Meinung, du mußt lernen!"
Ich beriet mich noch einmal mit meinem Vater. Er bestärkte mich in meiner Absicht, ein Handwerk zu erlernen, und ich entschied mich nun endgültig dafür. Nach dem Entlassungsabend begab ich mich nach Schostka in die FSU. Langsam schritt ich durch die Straßen, betrachtete die Aushänge und Plakate und dachte, man müßte eigentlich doch Meister im Plakatmalen werden!
An dem Eingangstor eines vierstöckigen Hauses waren große Schilder befestigt: „Chemisches Technikum", „Pädagogische Arbeiterfakultät" und die Bekanntmachung: „Die Annahme für die Schule der Arbeiterjugend hat begonnen. Es werden Personen angenommen, die die Siebenjahrschule absolviert haben." Ich stand da und überlegte. Es wäre nicht übel, hier zu lernen! Aber schließlich ging ich doch in die FSU.
Auf dem Hof der Betriebsberufsschule war niemand zu sehen. Ich öffnete die erste beste Tür und stand in einer Werkstatt. Ein heller, sauberer Raum, Werkbänke, Werkzeuge. Der Vater hatte recht: Hier war es schön.
„Wo kommst du denn her?" hörte ich plötzlich eine Stimme.
Vor mir stand ein hochgewachsener älterer Mann in einem Schlosseranzug. Er hatte die Brille auf die Stirn geschoben, seine Augen lachten, doch sein Gesicht war streng. Zaghaft antwortete ich: „Ich möchte lernen."
Er musterte mich: „Du bist noch zu klein, mein Freund. Wie alt bist du?"
„Vierzehn."
„Bei uns werden die Jungen erst mit siebzehn Jahren angenommen."
„Wie komme ich zum Geschäftszimmer?" fragte ich stotternd.
„Dort hast du nichts zu suchen. Ich bin Meister und nehme keine Kinder an!"
Ich drehte mich um und ging. Der Meister rief mir hinterdrein: „Wachse, dann bist du uns herzlich willkommen!"
Wieder ein Mißerfolg! Mir war so kläglich zumute, daß ich zu weinen anfing, als ich nach Hause kam. Ich überlegte nicht lange. Am nächsten Tag gab ich ein Aufnahmegesuch für die Schule der Arbeiterjugend ab, und eine Woche später war ich angenommen. Als mein Vater das erfuhr, schwieg er eine Weile und sagte dann seufzend: „Du bist mir ein schöner Dickschädel, Iwan. Aber meinetwegen, lerne!"
DER ENTSCHLUSS IST GEFASST
Der Unterricht begann im März. In der Schule lernte die Arbeiterjugend des Werkes. Auch Iwan, seinetwegen hatte ich mich einst im Klassenzimmer gerauft, trat in diese Schule ein. Der Unterricht war um elf Uhr abends beendet. Wir kehrten zu viert in das Dorf zurück. Zwei meiner Dorfgenossen studierten an der Pädagogischen Arbeiterfakultät. Einen Kilometer vor dem Dorfe bogen sie gemeinsam mit Iwan vom Wege ab, und wir riefen uns noch lange gegenseitig zu.
Bei Schlammwetter, bei Schneesturm und in größter Kälte marschierten wir täglich sieben Kilometer hin und sieben Kilometer wieder zurück. Der Unterricht fiel uns nicht leicht, besonders Russisch mußten wir viel lernen und nachholen, denn in unserer Dorfschule hatten wir nur Unterricht in ukrainischer Sprache gehabt.
Vor dem Oktoberfest ließ mich der Direktor zu sich kommen und sagte: „Bei uns wird eine Bibliothek eingerichtet. Willst du dort arbeiten? Du wirst Lohn bekommen. Zunächst hundert Rubel im Monat. Du wirst morgens arbeiten und abends lernen."
.,Natürlich will ich, Genosse Direktor, aber ...?"
.,Gehen wir mal hin und unterhalten uns dort." Der Direktor wies mit der Hand in Richtung der Bibliothek.
In einem großen Zimmer standen Tische und einige Bücherschränke mit Büchern. Ich war verwirrt. Wie sollte ich damit zurechtkommen, wie sollte ich diese völlig neue Arbeit überhaupt anpacken?
Der Direktor bemerkte meine Verwirrung: „Wir gewähren dir zwei Wochen Zeit zum Einarbeiten. Geh in die Stadtbücherei, dort wird man dich anlernen! - Hier ist Lenja Dmitrijew, der Sekretär des Lehrkörpers, er wird dir helfen. Kühn an die Arbeit!"
Lenja - er war älter als ich und lernte gleichfalls an der Schule übernahm die Patenschaft über mich. Er übergab mir die Schlüssel für alle Schränke und half mir beim Sortieren der Bücher.
Am nächsten Morgen ging ich in die Stadtbücherei. In der Buchausleihe saß ein junger Mann, der eine Brille trug und rasch, aber behutsam ein rot eingebundenes Buch durchblätterte. Er hob den Kopf: „Kommen Sie später wieder. Die Ausleihe beginnt erst um fünf Uhr!"
Ich erklärte ihm den Grund meines Kommens. Der Bibliothekar legte das Buch beiseite und gab mir die Hand: „Schön, unterrichten Sie sich im
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