Ich hab dich im Gefühl
verbracht habe, und erinnert mich daran, wie ich Besucher am Klang ihres Klingelns identifiziert habe. Kurzes, energisches Bimmeln kündigte Kinderfreunde an, die hochhüpfen mussten, um den Klingelknopf zu erreichen. Schnelle und schwache Klangfetzen waren ein Hinweis darauf, dass Verehrer sich draußen herumdrückten, voller Angst, meinem Vater zu offenbaren, dass sie überhaupt existierten – ganz zu schweigen davon, dass sie direkt vor seiner Tür standen. Wenn es spät in der Nacht etwas wackelig und unregelmäßig klingelte, konnte man davon ausgehen, dass mein Vater aus dem Pub zurückkam und den Schlüssel vergessen hatte. Fröhliche, verspielte Rhythmen waren Familienbesuche, kurze, laute, nicht enden wollende Maschinengewehrsalven von Tönen warnten uns vor Hausierern. Ich drücke noch einmal auf die Klingel, aber nicht nur, weil das Haus um zehn Uhr vormittags still ist und sich nichts darin regt, sondern weil ich wissen will, wie es klingt, wenn ich klingle.
Zaghaft, kurz und abgehackt. Fast so, als wollte ich nicht gehört werden. Gleichzeitig weiß ich ja, dass ich gehört werden muss. Mein Klingeln sagt, entschuldige, Dad, tut mir leid, dass ich dich störe. Entschuldige, dass deine dreiunddreißigjährige Tochter, die du schon lange los zu sein glaubtest, wieder nach Hause kommt, weil ihre Ehe gescheitert ist.
Schließlich höre ich Geräusche im Innern des Hauses und sehe, durch das Glas verzerrt, Dads schaukelnde Bewegungen näher kommen, schattengleich und ein bisschen unheimlich.
»Tut mir leid, Liebes«, sagt er, als er die Tür aufmacht. »Ich hab dich beim ersten Mal nicht gehört.«
»Wenn du mich nicht gehört hast, woher wusstest du dann, dass ich geklingelt habe?«
Er sieht mich verständnislos an, dann wandert sein Blick zu den Koffern neben meinen Füßen. »Was ist das denn?«
»Du … du hast doch gesagt, ich kann eine Weile bei dir bleiben.«
»Ich dachte, das heißt bis zum Ende von
Countdown
.«
»Hmm … na ja, ich hab gehofft, es dürfte auch ein bisschen länger sein.«
»Länger, als ich hier sein werde, wie’s aussieht.« Er betrachtet seine Schwelle. »Komm rein, komm rein. Wo ist Conor? Was ist mit dem Haus? Ihr habt doch nicht etwa wieder Mäuse, oder? Ist wieder die Jahreszeit für sie, ihr hättet Türen und Fenster geschlossen halten sollen. Die Ritzen verstopfen, das mache ich immer. Ich zeige es dir, wenn wir drin sind und es uns gemütlich gemacht haben. Conor sollte das eigentlich wissen.«
»Dad, wegen Mäusen hab ich noch nie gefragt, ob ich hierbleiben kann.«
»Es gibt für alles ein erstes Mal. Deine Mutter hat das auch gemacht. Sie hat die Viecher gehasst und ist immer für ein paar Tage zu deiner Großmutter gezogen, während ich hier rumgerannt bin wie diese Zeichentrickkatze. Tom oder Jerry, richtig?« Er kneift die Augen zusammen, um besser nachdenken zu können, öffnet sie dann aber wieder, anscheinend jedoch, ohne klüger geworden zu ein. »Ich konnte mir nie merken, wer welcher war, aber die Mäuse haben’s bei Gott gemerkt, wenn ich hinter ihnen her war.« Er hebt die Faust, verzieht das Gesicht einen Moment, während er sich in die alten Zeiten zurückversetzt, zu einer kampflustigen Grimasse, hält dann aber plötzlich inne und schleppt wortlos meine Koffer in die Halle.
»Dad?«, sage ich etwas frustriert. »Ich dachte, du hättest das am Telefon verstanden. Conor und ich machen Schluss.«
»Womit?«
»Wir haben uns getrennt.«
»Von wem?«
»Voneinander!«
»Was in aller Welt redest du denn da, Gracie?«
»Joyce. Conor und ich, wir sind nicht mehr zusammen. Wir haben Schluss gemacht.«
Er stellt die Koffer unter den Fotos an der Flurwand ab, die zu dem Zweck hier hängen, dass jeder Besucher gleich einen kleinen Einblick in die Geschichte der Familie Conway erhält. Dad als Junge, Mum als Mädchen, Dad und Mum frisch verliebt, verheiratet, meine Taufe, meine Kommunion, mein Abschlussball und meine Hochzeit. Kamera draufhalten, abdrücken, rahmen, ausstellen – so lautet das Motto meiner Eltern. Seltsam, wie die Menschen ihr Leben markieren, welche Fixpunkte sie wählen, um zu entscheiden, dass ein bestimmter Moment wichtiger ist als alle anderen. Denn das Leben besteht doch nur aus Momenten. Ich denke immer, dass die besten alle in meiner Erinnerung gespeichert sind, dass ich sie im Blut habe, in einer Art eigenen Datenbank, in die kein anderer Einblick hat außer mir.
Doch Dad hält keinen Moment inne, als er die
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