Ich hab dich im Gefühl
lacht.
»Nein«, entgegnet Margaret, während ihr Lächeln verblasst. Sie läuft puterrot an. »Nein, Pat«, wiederholt sie und fasst ihn am Ärmel.
»Nein?« Der Mann ist verwirrt. »Na ja,
ich
hab das jedenfalls gedacht. Glückwunsch, Conor.« Er zwinkert Conor zu, der auf einmal ganz blass wird. »Glaubt mir, ihr könnt euch die nächsten zwanzig Jahre vom ruhigen Nachtschlaf verabschieden. Aber lasst es euch trotzdem schmecken.« Dann lässt er sich von Margaret zu einem Tisch weiterziehen, und kurz darauf hören wir Streitgemurmel.
Conor macht ein langes Gesicht und ergreift über den Tisch hinweg meine Hand. »Alles klar mit dir?«
»Das ist mir jetzt schon ein paar Mal passiert«, erkläre ich und lege instinktiv die Hand auf meinen flachen Bauch. »Ich hab auch kaum in den Spiegel geschaut, seit ich wieder zu Hause bin. Ich ertrage es irgendwie nicht.«
Conor bringt angemessen besorgte Laute hervor, ich höre die Worte »schön« und »hübsch«, gebe ihm aber zu verstehen, dass er lieber schweigen soll. Es ist wichtig für mich, dass er zuhört und nicht versucht, gleich wieder alles zu regeln. Er soll verstehen, dass es mir nicht um mein Äußeres, nicht ums Hübschsein geht, sondern darum, so zu erscheinen, wie ich bin. Ich möchte ihm erklären, wie ich mich fühle, wenn ich mich zwinge, in den Spiegel zu sehen und meinen Körper anzuschauen, der mir jetzt vorkommt wie ein leeres Gefäß.
»Ach, Joyce.« Er umfasst meine Hand fester, während ich spreche, und drückt mir dabei den Ehering so heftig ins Fleisch, dass es wehtut.
Ein Ehering, aber keine Ehe.
Ich bewege die Hand ein bisschen, damit er merkt, dass er seinen Griff lockern soll. Aber stattdessen lässt er mich gleich ganz los. Ein Zeichen.
»Conor«, ist alles, was ich sage. Ich sehe ihn an und mir wird klar, dass er weiß, was ich gleich sagen werde. Er hat diesen Blick schon öfter gesehen.
»Nein, nein, nein, nein, Joyce, nicht diese Diskussion.« Er hebt abwehrend die Hände. »Du – wir alle beide haben diese Woche schon genug durchgemacht.«
»Conor, ich will keine Ablenkungen mehr«, beginne ich mit dringlicher Stimme und beuge mich vor. »Wir müssen jetzt über uns sprechen, sonst sitzen wir in zehn Jahren da und fragen uns den Rest unseres Lebens, was hätte sein können.«
In den letzten fünf Jahren haben wir dieses Gespräch regelmäßig mindestens einmal im Jahr geführt, und ich warte schon auf Conors übliche Erwiderung. Dass niemand behauptet hat, die Ehe sei ein Sonntagsspaziergang, dass wir nicht zu viel erwarten dürfen, dass wir uns aber etwas versprochen haben, dass die Ehe etwas fürs Leben ist und dass er sich bemüht, daran zu arbeiten. Retten wir, was zu retten ist, predigt mein Mann, der so gut wie nie anwesend ist. Ich konzentriere mich auf die Reflexion der Kerze in meinem Dessertlöffel, während ich auf seinen Vortrag warte. Erst mehrere Minuten später merke ich, dass er nicht kommt. Als ich aufblicke, sehe ich, dass Conor mit den Tränen kämpft und nickt, als würde er mir zustimmen.
Ich hole tief Luft. Das war’s dann wohl.
Justin beäugt die Dessertkarte.
»Nein, das kannst du glatt vergessen, Al«, verkündet Doris, entreißt ihrem Mann die Karte und klappt sie zu.
»Warum nicht? Darf ich nicht wenigstens die Karte lesen?«
»Dein Cholesterinspiegel steigt schon, wenn du sie bloß anschaust.«
Justin blendet ihre Kabbelei aus. Eigentlich sollte er auch keinen Nachtisch essen. Seit der Scheidung lässt er sich ein bisschen gehen und isst, um sich zu trösten, statt Sport zu machen. Er sollte es wirklich gut sein lassen, aber seine Augen schweben über der Karte wie ein Geier über seiner Beute.
»Darf ich Ihnen einen Nachtisch bringen, Sir?«, erkundigt sich der Kellner.
Also los.
»Ich hätte gern die …«
»… Banoffee Pie, bitte«, platze ich zu meiner eigenen Überraschung heraus, als der Kellner mich nach dem Dessert fragt. Conor sperrt den Mund auf.
Ach je. Meine Ehe ist gerade in die Brüche gegangen, und ich bestelle Nachtisch! Verlegen beiße ich mir auf die Lippen, um ein nervöses Lächeln zu verdrängen.
Auf den Neuanfang. Auf das Streben nach … irgendwas.
Zehn
Ein stattliches Läuten empfängt mich im bescheidenen Heim meines Vaters. Die glockenspielartige Klingel ruft eigentlich andere Assoziationen hervor als das kleine Vierzimmerhäuschen meines Dads, aber so ist er nun mal.
Der Klang trägt mich zurück in das Leben, das ich in diesen Mauern
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