Ich hab dich im Gefühl
mir echt Angst eingejagt, Joyce. Es war, als wärst du jemand anderes.« Er lächelt. »Was war das für ein Film?«
»Ach, ich weiß nicht mehr, wie er hieß«, antworte ich und wedle wegwerfend mit der Hand, überlege dabei aber krampfhaft, was eigentlich mit mir los ist, und versuche mich zu erinnern, ob ich überhaupt diese Woche irgendeinen Film gesehen habe.
»Magst du jetzt auf einmal keine Sardellen mehr?«, unterbricht er meine Gedanken und betrachtet die Sammlung kleiner Fischchen, die sich auf meinem Tellerrand stapeln.
»Gib sie mir, großer Bruder«, sagt Al und streckt Justin seinen Teller hin. »Ich liebe Sardellen. Wie du Caesar Salad ohne essen kannst, ist mir unbegreiflich. Ist es okay, dass ich die Sardellen esse, Doris?«, fragt er dann seine Frau in sarkastischem Ton. »Der Arzt war nicht zufällig der Ansicht, dass Sardellen mich umbringen, oder?«
»Höchstens, wenn ich dir das Maul damit stopfe, was sehr gut möglich ist«, stößt Doris zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Neununddreißig Jahre bin ich alt und werde immer noch behandelt wie ein Kind«, sagt Al und blickt betrübt auf sein Sardellenhäufchen.
»Fünfunddreißig Jahre bin ich alt, und mein einziges Kind ist mein Ehemann«, faucht Doris zurück, piekt eine Sardelle aus dem Häufchen und probiert sie. Naserümpfend schaut sie sich dann im Lokal um. »Das nennen die ein italienisches Restaurant? Meine Mutter und ihre Familie würden sich allesamt im Grab umdrehen, wenn sie das sähen.« Sie bekreuzigt sich rasch und fährt dann fort: »Also, Justin, erzähl mal von der Frau, mit der du dich triffst.«
Justin verzieht das Gesicht. »Doris, das ist keine große Sache, ich hab dir doch gesagt, dass ich bloß gedacht habe, ich würde sie kennen.«
Und sie sah aus, als würde sie auch überlegen, woher sie mich kennt.
»Nein, nicht die«, sagt Al laut, den Mund voller Sardellen. »Doris meint die andere, die du neulich gebumst hast.«
»Al!« Justin bleibt das Essen im Hals stecken.
»Joyce«, meint Conor besorgt, »alles in Ordnung mit dir?«
Tränen steigen mir in die Augen, ich huste, keuche und schnappe nach Luft.
»Hier, trink einen Schluck Wasser.« Er hält mir ein Glas unter die Nase.
Um uns herum glotzen die Leute, alarmiert und besorgt.
Aber mein Hustenanfall ist so heftig, dass ich nicht mal trinken kann. Conor steht auf, stellt sich hinter mich und klopft mir auf den Rücken, doch ich schüttle ihn energisch ab und huste weiter, während mir die Tränen in Strömen über die Wangen laufen. Panisch springe ich auf und werfe dabei den Stuhl um.
»Al! Tu doch was, Al! Oh,
Madonnina santa
!« Doris bricht in Panik aus. »Er läuft schon blau an!«
Al bindet seine Serviette vom Kragen und legt sie ganz ruhig auf den Tisch. Dann steht er auf und stellt sich hinter seinen Bruder. Er schlingt die Arme von hinten um seine Taille und drückt ihm kräftig auf den Bauch. Beim zweiten Anlauf löst sich der Bissen, der in Justins Kehle feststeckt.
Noch jemand kommt mir zu Hilfe oder mischt sich besser gesagt in die panische Diskussion darüber ein, wie man das Heimlich-Manöver durchführt. Und dann höre ich auf einmal auf zu husten. Drei Augenpaare starren mich überrascht an, und ich reibe mir den Hals, ebenfalls ziemlich verwirrt.
»Alles wieder okay?«, fragt Conor und fängt schon wieder an, mir den Rücken zu tätscheln.
»Ja«, flüstere ich. Die Aufmerksamkeit, die wir auf uns gezogen haben, ist mir unendlich peinlich. »Mir geht’s wieder gut, danke. Ich danke Ihnen allen für Ihre Hilfe.«
Aber die Helfer ziehen sich nur langsam wieder zurück.
»Sie können sich ruhig hinsetzen und weiteressen. Mir geht’s gut, ehrlich. Danke.« Schnell setze ich mich auch wieder, reibe mir die Wimperntusche aus den Augen und versuche die neugierigen Blicke zu ignorieren. »O Gott, war das peinlich.«
»Komisch, du hattest nicht mal was gegessen. Du hast geredet, und auf einmal – zack! – hast du angefangen zu husten.«
»Ich weiß auch nicht, irgendwas ist mir wohl beim Einatmen in die Quere gekommen«, wiegle ich ab.
Der Kellner kommt, um unsere Teller abzuräumen. »Ist alles in Ordnung, Madam?«
»Ja, danke, es geht mir gut.«
Von hinten stupst mich jemand an, und ein Nachbar von uns, der gerade mit seiner Frau das Restaurant betreten hat, beugt sich zu uns herüber. »Hey, wir dachten schon, du kriegst Wehen, ha-ha! Stimmt’s, Margaret?« Er sieht seine Frau an und
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