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Ich habe die Unschuld kotzen sehen

Titel: Ich habe die Unschuld kotzen sehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Bernemann
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deutschlandweit über zwei Wochen in den Medien.
    Ich habe diesen Job gehasst, denn er war dabei, mich langsam zu vergiften. Die Substanzen, mit de nen ich hantierte beziehungsweise die ich zu produzieren hatte, waren hochgradig giftig und total gefährlich für die menschliche Lunge. Das wurde aber geheim gehal ten von unserer eigenen Entwicklungsabteilung. Die dortigen Mitarbeiter wurden sehr druckvoll vom Management instruiert, doch über die Gefährlichkeit der von unserer Abteilung verarbeiteten Stoffe keine Worte zu verlieren.  
    Ich erfuhr das so nebenbei vom Robert, einem Arbeitskollegen aus der Entwicklung. Mit dem hab ich mich super verstanden. Außerdem ein hübscher Typ mit geilem Körper. Wir haben auch mal gebumst nach ‘ner Betriebsfeier. Seit diesem Tag sogar öfter.  
     
    Der Typ wollte ‘ne Beziehung mit mir, aber da bin ich kein Typ für. Muss gestehen, dass ich gedanklich an jemanden gebunden bin, der mich vor langer Zeit unerwarteterweise in absolut kalter und obszöner Weise verlassen hat. Ich war ein naives Mädchen und brutal naiv verliebt. Er ging und hinterließ eine Frau mit der Erfahrung, dass Vergänglichkeit Männersache ist. Aber er ging und nahm wichtige Teile von mir mit, die ich zum Führen einer ordentlichen Beziehung mit total viel Emotionsinvestition eigentlich benötigte.
     
    Robert ist bei dem ‹Unglück› draufgegangen, verbrannt, was ich eigentlich sehr bedaure, denn zum Ficken war er gerade gut genug.
    Er hatte diesen absolut erregenden Hüftschwung drauf, wenn er so in mir drin war. Und wenn er diese Hüftsache machte, war ich innerhalb von wenigen Sekunden voll weg von diesem Planeten. Far out of space. Aber ihn kann ich zumindest vergessen. Ziemlich schnell.
    Seine Beerdigung war langweilig, die vom Chef war viel spannender. Gab auch mehr zu saufen und zu reden. Der Laden ist weg. Und auch diese Tatsache kann ich bequem und ohne viel sonstigen gedanklichen Aufwand hinnehmen.
     
    Wir treffen uns bei Franziska – im Keller ist unser Proberaum. Der Keller ist kalt, denn es ist Herbst und er ist heizungslos. So langsam trudeln alle ein.  
    Freitag Nachmittag in diesem kalten Keller. Wir spielen uns langsam warm. Ein paar Beats, eine paar Gitarrenakkorde, ein paar pumpende Bassriffs, ein paar elektronische Soundeffekte ballern chaotisch durch den Proberaum, prallen an Wänden ab und beglücken die Erzeuger und Akteure.  
    Dieses Geplänkel brauchen wir Mädels, um die Köpfe frei zu machen. Dieses Geplänkel geht dann auch nahtlos in den ersten Song über, den wir gemeinsam ar rangiert haben. Titel: Raped Teen Girls fuck back . Wir legen Wert darauf, nicht so zu sein, wie die meisten Musiker, das manifestiert sich meiner Mei nung nach ja schon in den Songtiteln und im Bandnamen.  
     
    Und natürlich in den Persönlichkeiten der beteilig ten Musikerinnen. Franziska ist überzeugte Singlefrau. Ist lesbisch. Spielt seit sechs Jahren Bass und das heftigst gut. Sie war zuvor in einer Emanzenaktivistinnenkapelle tätig, mit Namen Dying Penis .  
    Produzierte in diesem Zusammenhang gradlinigen und sehr ag gressiven Punkrock. Diese Band scheiterte an einer bandinternen Liebesbeziehung. Franzi redet darüber ungern, denn sie war der Auslöser für dieses bandin terne Dilemma.  
    Eva hat gerade eine Trennung von einem ziemlich schwer einzuschätzenden Typen hinter sich, war aber schon vorher magersüchtig. Was sie isst, kotzt sie eigentlich auch wieder aus. Sie ist hochgra dig depressiv und genauso hochgradig intelligent.  
    Ihr Keyboard ist ‘ne wahnsinnige Bereicherung zur Erreichung emotionaler Tiefe in unserer Combo.
    Gitarristin und Sängerin Luisa ist meine beste Freundin. Ein absoluter Emotionsmensch. Schreibt auch die Texte. Eine introvertierte, intelligente Frau mit kindlichem Antlitz. Ich kenne sie seit mindestens 10 Jahren. Ihr Elternhaus, ihr gesamtes Um feld. Sie arbeitet als Altenpflegerin. Sieht jeden Tag Kot und Sterben. Ihre musikalischen Fähigkeiten bewundere ich.  
    Kombiniert Schrei, Flüster und Me lodiegesang zu verzerrter und akustischer Gitarre.  
     
    Unser zweiter Song hat sich ebenfalls schon ver selbstständigt. Female Serial Killer Noise System . Ein sehr derber Song. Angelehnt an den Titel auch die Musik: heftig derb, ablehnend, schnell, trotz dem melodiös und irgendwie sehr weiblich.  
    Ja, ein weibliches Lied. Und laut.
    Sehr laut.
     
    Auch die weiteren zwölf Songs, die wir bereits fer tiggestellt haben, folgen einfach so – ohne

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