Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
sich als Mate-Tee-Kaufmann zu betätigen. Der »Tee der Jesuiten« ist das Nationalgetränk zahlreicher südamerikanischer Länder.
In Argentinien wächst die Pflanze in drei bis sechs Meter hohen Büschen in der abgelegenen Provinz Misiones, einem Dschungelgebiet, in dem sich, außer Eingeborenen, freiwillig meist nur Waffen-, Rauschgift- und Alkoholschmuggler aufhalten.
Gegenüber seiner Frau schwärmt Señor Guevara Lynch von einer anarchistischen Gemeinschaft, die er dort fern der Zivilisation gründen will. Finanzieren wird er sein »freies Dorf« mit Erlösen aus dem Mate-Handel. Bald ist dem Paar der Schwarm leichtsinniger und schmarotzender Freunde aus der Großstadt in die Wildnis gefolgt. Über Festen, Jagdausflügen und Diskussionen, wie das Paradies auf Erden auszusehen habe, wie es herbeizuführen sei, vergisst Ernesto seine Yerba-Mate-Bündel abzuschicken. Sie verfaulen in den Lagerschuppen. Er entschuldigt sich mit einem Achselzucken. Ist er hergekommen, schwer zu arbeiten oder um seinen Spaß zu haben?
Er schrickt aus seiner Unbekümmertheit hoch, als Celia ihm sagt, dass sie schwanger ist. Einerseits freut er sich auf das Kind, hofft auf einen Sohn, nimmt sich vor, ihn liberal und antiklerikal zu erziehen; andererseits fühlt er sich eingeengt. Ohne Kind wäre dieses romantische Leben hier draußen, wo man sich nicht über korrupte Politiker, karrierewütige Altersgenossen und missgünstige Verwandte ärgern muss, wohl noch eine Weile fortzusetzen gewesen.
Diese Dschungelfreiheit hat ihm gefallen. Man kann dabei vergessen, dass man sich im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts befindet. Wenn er den Mate-Handel wieder in Schwung bringen will, muss er mit seinen Abnehmern in Rosario sprechen, das immerhin 1.000 Kilometer von der Provinz Misiones entfernt liegt.
Trotz ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft will Celia ihn auf dieser strapaziösen Reise begleiten. Sie erwartet das Kind für Mitte Juli, aber als sie am 14. Juni 1928 in Rosario ankommen, setzen bei ihr die Wehen ein. Der Junge, der vorzeitig geboren wird und nach seinem Vater den Namen Ernesto erhält, ist ein winziges, schwächliches Baby, kaum lebensfähig. Die ersten 18 Monate seines Lebens verbringt Ernestito mit seinen Eltern in der Provinz Misiones.
Seine Kinderfrau ist die Indianerin Inez. Zusammengekauert sitzt sie Tag und Nacht vor der Hängematte, in der das häufig hustende Kind schaukelt. Sie legt in Wasser aufgeweichte Blätter einer den Weißen unbekannten Pflanze auf die Augen und die Lippen des Säuglings. Wenn der Vater das Kind betrachten will, überschüttet Inez ihn mit einem Schwall indianischer Schimpfworte. Señor Guevara Lynch nimmt das hin; obwohl Bekannte ihn auffordern, das unverschämte Indianerweib davonzujagen. Er hat ein schlechtes Gewissen, gibt seiner Neigung für exotische Abenteuer die Schuld daran, dass sein Erstgeborener krank und schwächlich zur Welt gekommen ist.
Eines Tages ist Inez verschwunden. Man sucht nach ihr im Wald. Man findet ihren Körper gefesselt, geschändet, leblos, am Stamm eines Baumes. Daneben steht ein Korb mit den Blättern der Pflanze, die sie für Ernestito gesucht hat.
Kein ungewöhnlicher Tod in diesem Land. Wer trauert um eine Indianerin?
Als Señor Guevara Lynch wenigstens so viel Geld verdient hat, wie ihm in der ersten Zeit durch seine Nachlässigkeit verlorengegangen ist, gibt er den Mate-Handel auf. Er kehrt mit Celia, die ihr zweites Kind erwartet, und mit seinem kleinen Sohn nach Buenos Aires zurück und beteiligt sich dort an einer Schiffsbaufirma.
In Buenos Aires stellen die Ärzte fest, dass Ernestito an Asthma leidet.
Asthma ist eine Krankheit, bei der sich die glatten Muskeln in den kleinen Bronchien verkrampfen. Häufig wird sie reflektorisch ausgelöst, das heißt durch nervöse Reize, die von anderen Körperstellen, meist von der Nasenschleimhaut, ausgehen; oft auch ist sie mit chronischem Bronchialkatarrh verbunden.
Der asthmatische Anfall stellt sich als ein äußerst quälender Luftmangel dar. Die Atemzüge sind pfeifend. Der Kranke wird blutrot und fürchtet, trotz angestrengter Atmung, zu ersticken.
Heute glaubt man zu wissen, dass bei einer vererbten Veranlagung der erste Anstoß zum Ausbruch der Krankheit schon im Augenblick der Geburt gegeben wird, in jenem entscheidenden Moment nämlich, da das Baby, mit dem Einsetzen der Atemtätigkeit, selbständig zu leben beginnt.
So betrachtet, wäre Asthma eine Reaktion auf das Geburtstrauma oder
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