Ich habe sieben Leben: Die Geschichte des Ernesto Guevara, genannt Che (German Edition)
möge, der dem Onkel so viel Geld schenkt, dass er dort im Cafe »Bolo« sitzen bleiben und weiterschreiben kann. Eines Tages wird man dann lesen können, wie tapfer sich das Volk in Spanien geschlagen hat, auf wessen Seite das Recht war in diesem Krieg.
Die meisten Klassenkameraden von Ernesto ergreifen seit der Belagerung von Toledo für die spanischen Faschisten Partei.
»Oberst Moscardo sieht aus wie ein altes Maultier«, sagt Ernesto.
»Und deine Pasionaria«, höhnt einer seiner Mitschüler, »ein Fischweib ist sie gewesen, und jetzt sieht sie aus wie Rasputin.« Er hat die Lacher auf seiner Seite.
Die Offiziersschule im Alcázar von Toledo verteidigte sich unter ihrem Kommandeur Moscardo im Spanischen Bürgerkrieg vom 18. Juli 1936 bis zum 27. September 1936 gegen eine erdrückende Übermacht republikanischer Verbände. Die Belagerten wurden schließlich von den Verbänden General Francos besiegt.
Bei Ausbruch des Bürgerkrieges war die Pasionaria (Dolores Ibarruri) die bekannteste kommunistische Abgeordnete in den Cortes, dem spanischen Parlament.
Ehe Ernesto im Herbst mit der höheren Schule beginnt, will er drei Monate allein auf dem Fahrrad, das mit einem Hilfsmotor ausgerüstet ist, durch das nördliche Argentinien fahren.
An einem Vormittag, die Ferien haben schon begonnen, putzt er sein Rad auf der Straße vor dem Haus. Nur einen Steinwurf weit fällt die Straße in eine Senke ab. Dort liegen die Baldios.
Durch die Kinderspiele und Träume der Jungen und Mädchen in der Calle de Chile geistert der Mann mit den Hunden, eine Albtraumgestalt, wie aus einer Zeichnung von Goya entsprungen. Er lebt unten in der Senke in einer Hütte mit drei oder vier Hunden zusammen. Der Mann hat beide Beine verloren und fährt jeden Morgen auf einem kleinen hölzernen Wagen, den zwei Hunde ziehen, in die Stadt. Manche Leute sagen, er fahre zu einer Kirche, wo er bettle, andere wollen wissen, er verkaufe Lotterielose. Da es den Hunden jedesmal schwerfällt, die Last den Hügel hinaufzuziehen, ist zuerst immer ein Wimmern und Kläffen zu hören. Dann taucht der Mann auf, mit einem Stock gestikulierend, hochrot im Gesicht vor Wut.
Diese Szene wiederholt sich fast jeden Vormittag. Ernesto sieht von seinem Fahrrad auf, als er wieder das Winseln und Wimmern der geschundenen Hunde hört.
Als der Bettler über den Rand des Hügels gefahren kommt, erscheinen einige kreischende »Baldio«-Kinder, die Steine nach ihm werfen und ihm Schimpfworte nachrufen.
Ernesto ist der einzige Junge; aus den besseren Häusern in dieser Straße, der bei den Kindern aus dem Elendsviertel respektiert wird. Er ruft ihnen zu, sie sollten gefälligst den alten Mann in Frieden lassen. Die barfüßigen Blagen verkriechen sich in ihre Wohnlöcher.
Der Bettler zügelt das Hundegespann. Unmittelbar vor Ernesto bringt er sein Gefährt zum Stehen. Ohne ein Wort zu sagen, blickt er ihn hasserfüllt an. In seinem eisigen Schweigen gibt er ihm zu verstehen, er könne sich seine freundliche Geste ersparen.
Es sind nicht diese barfüßigen Kinder, die er als seine Feinde betrachtet, es sind die Kinder aus den Häusern der wohlhabenderen Leute in der Calle de Chile.
Ernesto unternimmt mit dem Fahrrad die Ferienreise durch die Pampas. Das ist eine Landschaft ohne Städte, mit nur wenigen ausgebauten Straßen, eine Landschaft, in der die Abstände von Siedlung zu Siedlung so groß sind, dass man in den stillen Stunden der Nacht vergebens auf das Gebell von Hunden in der Ferne horcht, eine Landschaft, in der auf einem Gehöft am Morgen der Hahn nur einmal kräht, weil kein anderer Hahn ihm antwortet.
Um die einsamen Häuser haben die Menschen Wäldchen von Eukalyptusbäumen gepflanzt, damit etwas Schatten die Wucht des Himmels, der so unerhört hoch und leer wirkt, dämpft.
Ernesto verdient sein Reisegeld als Gelegenheitsarbeiter. Er kommt auf die Estancias, deren Produkte den Reichtum der Oligarquia in diesem Land begründen: Rinderherden, Weizen, Mais. Er sieht Güter, auf denen es noch kein elektrisches Licht gibt, die kein Telefonkabel mit der Außenweit verbindet. Kleine Staaten für sich! Die Verwalter sind Vizekönige. Die Könige wohnen in Buenos Aires und lassen sich hier draußen höchstens einmal im Jahr sehen, wenn die Erträge gar zu augenfällig zurückgehen.
Ernesto sitzt mit den Peones, den Landarbeitern, zusammen, die in winzigen Schuppen untergebracht sind und siebzig Euro im Monat verdienen. Ihre Familien dürfen nicht mit ihnen
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