Ich hasse dich - verlass mich nicht
hatte alles keinen Zweck.
Die SET-UP-Grundsätze hätten Barbara helfen können, mit Freds Impulsivität fertig zu werden. Statt zu bitten und zu drohen, hätte sie ihre Sorge um Fred betonen können (Unterstützung) und die wachsende Erkenntnis, dass er mit seinem Leben immer unzufriedener wurde (Mitgefühl). Wahrheitsaussagen hätten ihre eigene Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation ausdrücken können und das wichtige Bedürfnis, daran etwas zu ändern. Sie hätte beispielsweise zu einer Therapie raten können.
Es ist oft hilfreich, wenn man impulsive Verhaltensweisen aus Erfahrungen in der Vergangenheit voraussagen kann. Nach einer Zeit der Nüchternheit könnte Barbara Fred beispielsweise auf neutrale und sachliche Weise daran erinnern, dass sich in der Vergangenheit, wenn alles gut ging, der Druck so gesteigert hatte, dass er ihn in Saufgelagen entladen musste. Durch den Hinweis auf frühere Muster kann man der Borderline-Persönlichkeit helfen, sich der Gefühle, die sich vor dem Einsetzen der Impulsivität zeigen, bewusst zu werden. Dies sollte von unterstützenden Aussagen begleitet werden, damit es nicht als ablehnende Kritik interpretiert wird. (»Jetzt geht das schon wieder los!«) Auf diese Weise lernt die Borderline-Persönlichkeit, dass Verhaltensweisen, die sie als chaotisch und unvorhersehbar wahrgenommen hat, tatsächlich vorausgeahnt, verstanden und dadurch kontrolliert werden können. Doch selbst wenn sich die Borderline-Persönlichkeit kritisiert fühlt, können Vorhersagen zu einer entgegengesetzten Wirkung führen, die den Betreffenden dazu motiviert, zerstörerische Verhaltensmuster nicht zu wiederholen, um es dem anderen »zu zeigen«.
Schließlich lernte Fred in der Therapie, dass seine scheinbar unvorhersehbaren Verhaltensweisen Zorn auf sich und andere darstellten. Er erkannte, dass er seine Frau missbrauchte oder zu trinken begann, wenn er mit sich unzufrieden war. Dieses impulsive Verhalten führte zu Schuld und Selbstbestrafung und diente wiederum dazu, seine Verfehlungen wiedergutzumachen. Als Fred sich selbst wichtiger wurde und er seine eigenen Ideale und Überzeugungen stärker respektierte, verringerten sich seine destruktiven Aktivitäten.
Die eigenen Gefühle verstehen
Wenn man den Borderline-Patienten auf seiner Achterbahnfahrt begleitet, muss man sich auf viele unterschiedliche Gefühle einstellen, besonders auf Schuldgefühle, Angst und Zorn. Wenn die Borderline-Persönlichkeit sich selbstzerstörerisch verhält, kann sie hilflos erscheinen und die Verantwortung für ihr Verhalten auf andere projizieren, die möglicherweise bereit sind, sie zu akzeptieren. Schuldgefühle hemmen die ehrliche Auseinandersetzung beträchtlich. Ähnlich kann auch die Angst vor körperlichem Schaden – beim Borderline-Patienten, bei anderen und bei sich selbst – stark von offenen Interaktionen abhalten. Zorn ist eine häufige Reaktion, wenn man sich manipuliert fühlt oder ein bestimmtes Verhalten einfach nicht mag oder versteht – was häufig vorkommt.
Lenas Mutter rief ihre Tochter häufig an und beklagte sich über Kopfschmerzen, Einsamkeit und einen allgemeinen Lebensüberdruss. Lenas Vater war schon lange tot, und die Geschwister hatten sich von der Familie entfremdet, sodass Lena die »gute Tochter« war, das einzige Kind, das sich um die Mutter kümmerte.
Lena hatte Schuldgefühle, wenn ihre Mutter allein war und Schmerzen litt. Trotz der Liebe zur Mutter und der Schuldgefühle, die die Mutter in ihr auslöste, wurde Lena wütend, als sie sah, wie ihre Mutter immer hilfloser wurde und immer weniger gewillt war, sich um sich selbst zu kümmern. Lena erkannte, dass die Mutter sie mit ihrer immer größeren Abhängigkeit ausnutzte. Aber wenn sie ihren Zorn ausdrückte, wurde ihre Mutter noch weinerlicher und hilfloser, Lena bekam noch mehr Schuldgefühle und der Kreislauf wiederholte sich. Erst als Lena sich aus diesem verschlungenen System befreite, wurde ihre Mutter gezwungen, eine gesündere Unabhängigkeit zu erreichen.
Besondere Probleme der Elternschaft
Wenn die meisten Borderline-Patienten ihre Kindheit beschreiben, sind oft charakteristische Merkmale vorhanden. Häufig fehlte ein Elternteil ganz oder war oft abwesend, widmete sich stark zeitaufwendigen Interessen außerhalb des Zuhauses, einem Hobby oder beruflichen Interessen oder war alkohol- oder drogenabhängig.
Wenn beide Eltern zu Hause lebten, war die Beziehung untereinander meistens nicht harmonisch. Oft
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