Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
Vom Netzwerk:
jetzt sowieso wieder keiner, aber ich bin ja nicht Satiriker geworden, weil ich mich dauernd über das Leben lustig machen will, sondern weil sich das Leben dauernd über mich lustig macht.)
    «Ich weiß echt nicht, was du hast. Ich fahre immer so exakt vorschriftsmäßig, dass sie die Laserpistolen an mir eichen können, gucke ständig nach links und rechts und nach hinten und in den toten Winkel.» Meine Frau rutschte aus der Fötushaltung, in die sie mein Wuthalt gepresst hatte, wieder höher in den Sitz und sagte: «Das ist ja der Grund: Du fährst so langsam. Ich denke immer, du bist nicht bei der Sache oder – eingeschlafen.» Ich zog einen Flunsch, löste die Handbremse, trat aufs Gas, um die Reifen auf dem Asphalt einzubrennen, und schoss ab. Meine Frau juchzte.

Rhetorischer Unfug
    Wenn es um den richtigen Umgang mit Kindern geht, habe ich mich nie auf meine innere Stimme verlassen. Meine innere Stimme labert dauernd unzusammenhängendes Zeug, und ich höre nur auf meine innere Stimme, wenn partout nichts im Radio kommt, die Fische nicht beißen oder ich lästigen Mitmenschen bei der Auswahl ihrer Tapete helfen soll. Ich war hingegen immer bestrebt, die Erziehung meiner Kinder auf eine streng wissenschaftliche Grundlage zu stellen. Leider ist im Lauf der praktischen Erfahrung die Frage, welche Hirnareale sich an der Erziehungstätigkeit beteiligen, von der Frage verdrängt worden, ob überhaupt Hirnareale daran beteiligt sind.
    Hinweise darauf gibt es genug. So saßen eines Tages der Michi und der Ich beim Kinderhüten zusammen (die Frauensleute waren Klangschalen vibrieren, Engel schauen, Kristalle befühlen oder irgendwas anderes Sinnvolles) und verfolgten das braune und das blonde Kindlein beim Höhlebauen aus diversen Louis-quatorze-Erbstühlen. Leider stellte sich heraus, dass es die Höhle zweier rivalisierender Hexen war, die sich nun kreischend durch die Räume jagten. Nachdem der Michi auf diese Weise einen wichtigen Anruf («Ja, guck nich so, im Setzkastenfigurendirektvertrieb klingelt eben auch mal Sonntagnachmittag das Telefon!») verpasst hatte und ich den eben zitierten Satz wegen des kakophonischen Lärms auch gar nicht gehört hatte, stützten wir unsere gewaltigen Brustkörbe auf das Zwerchfell und brüllten nacheinander:«Könnt ihr nicht leiser toben?», und: «Spielt endlich anständig!»
    Die Kinder hielten kurz inne, versicherten sich per Blick, dass das nix zu bedeuten hatte, und kreischten weiter. Sie hatten recht. Es war dumm. Schwachsinn rieselte von der Decke. Das uns. Der Michi ist ja diplomierter Philosoph, und ich selbst habe einen derart hohen IQ, dass ich mir die genaue Zahl gar nicht merken kann. «Da hättest du auch gleich brüllen können», sagte ich peinlich berührt, «tobt verdammt nochmal endlich so, dass die Maxime eures Tobens als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte!»
    Der Michi zog einen Flunsch. «Du hast es nötig. Hast du jemals was Anständiges gespielt? Oder auch nur angeguckt?» Der Michi befreite einen schon bedenklich auseinandergeleimten Erbstuhl aus dem Höhlengesteck und erklärte resigniert: «Es führt erzieherisch in die Irre, wenn man seine Regungen verbalisiert. Einfach so den Unmut herausröhren muss reichen.» Es gehört zu den stillen Wahrheiten der Elternschaft, dass 90   Prozent aller erzieherischen Ermahnungen grober rhetorischer Unfug sind, der nur dadurch unentdeckt bleibt, dass Kinder Gott sei Dank auf Fragen wie «Kannst du dich nicht ein einziges Mal benehmen wie alle anderen?» nicht wirklich mit der berechtigten Gegenfrage «Meinst du jetzt die einmalige Reduzierung meines Bewegungsspielraums auf einen hypothetisch errechenbaren Verhaltensquerschnitt der Humanpopulation oder die unwiederholt bleibende Entfaltung meines Aktionspotenzials auf die empirisch vorhandene Bandbreite der Lebenstätigkeit aller Wesen, die nicht ich sind, Papi?» antworten, sondern einen nur verstört anschauen. Und mittlerweile glaube ich, dass die Kinder damit uns meinen.

Im Morgengrauen ist es nicht still
    Tütelü. Tütelütü. Tüt tüt. Wir brauchen gar nicht drum herumzureden. Auch Bio-Lärm ist Lärm. Die 100   Dezibel, die ein Amselmännchen aus sich herauspresst, sind kein Gesang, sondern Vogelgegröle. 100   Dezibel erreichen sonst nur Heavy-Metal-Konzerte oder Hammerschmieden. Niemand sagt: «Ach, schlaf weiter, das ist nur ein Motörhead-Gitarrist da auf dem Ast vor unserem Fenster, der seinen neuen Verzerrer ausprobiert!»,

Weitere Kostenlose Bücher