Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut
dürfen, in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander standen.
«Und weißt du, warum er all die schlechten Gefühle nicht ausleben konnte, sondern in sich blockieren musste?», wandte sich Mutter Dinkelkeks an die Trollprinzessin, die die Augen schon halb wimperflimmerndgeschlossen hatte, vielleicht, um besser zuhören zu können. «Aus Furcht, deine Freundschaft zu verlieren. Und weil er sie nicht ausleben konnte, stauten sie sich in seinem kleinen blockierten Körper, verstehst du? Und dann, als sich zu viele schlechte Gefühle angestaut hatten, kam es zum Ausbruch, und alles musste auf einmal raus.»
«He! Stopp mal! Das haut nicht hin», warf ich ein. «Dein Bengel ist doch quasi sofort ausgeflippt. Schneller ausleben geht ja fast gar nicht!»
«Ja, da magst du staunen», sah mich Mutter Dinkelkeks mit kuhäugiger Sanftmut an, «Kinder können in Sekunden so viel anstauen wie wir in Monaten.»
Ich gab auf. «Du meinst also, Klein Hannes ist nur aus nackter Angst auf der Puppe herumgetrampelt?»
«Nein, aus einem Gefühl tiefer Freundschaft, das ihm so wichtig war, dass er es nicht mehr kontrollieren konnte», fasste die Dinkelkeksin mit einem Seufzer zusammen, der klarmachte, dass ich noch lange nicht imstande war, ihrer reflexiven Akrobatik zu folgen. «Das ist ja super!», rief ich. «Der ist aus Freundschaft auf der Puppe rumgestampft. Da wäre ich jetzt echt nicht draufgekommen. Gut, dass wir geredet haben.»
Zehn Minuten später lagen die Kindlein im Bett. Eins mit, eins ohne Haube. Ich brachte Mutter Dinkelkeks zur Tür, damit sie nicht wie immer auf den Klingelknopf statt auf den Lichtschalter drückte und die Süßen wieder herausgeschnipst kämen. «Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass das alles halb so schlimm gewesen wäre, wenn die Puppe aus recyceltem Lumpenstoff statt aus Weichmacherplastik gewesen wär.» Sprach sie. Dann klingelte sie kurz, kicherte verlegen, machte das Licht an und ließ mich allein.
Die Fahrkralle
Ich bin ja nicht so der Typ, dem sich die Brusthaare vor Stolz aufstellen, wenn er eine Frau beim Einparken verzweifelt am Steuer kurbeln sieht. Kann doch sein, dass die Natur den Männern ein tieferes Gefühl für die Dimension von Parklücken mitgegeben hat, aber das war’s denn auch schon. Frauen leben länger, schlafen besser und haben ein derartiges Übermaß an Sozialkompetenz und Haarvolumen, dass sich die lächerliche Überlegenheit der Männer beim Einparken dagegen wie ein Trostpreis ausnimmt. Zudem wird geflissentlich verschwiegen, dass es im frühen Holozän noch keine Parklücken gab, sodass der Ausleseprozess wahrscheinlich bloß Figuren begünstigt hat, die sich schneller in Felsnischen verstecken konnten. Nichts, womit man groß herumprahlen sollte.
Mein preiswürdiger Respekt gegenüber den weiblichen Verkehrsteilnehmern wird einzig von der Tatsache getrübt, dass ich ungern meine Frau chauffiere. Das liegt daran, dass meine Frau im besten Fall 150 Meter vor der Ampelkreuzung ruhig, aber bestimmt ihre Hand auf meine Brust legt, um so vorsorglich zu verhindern, dass ich beim Bremsen durch die Windschutzscheibe geschleudert werde. Dabei sitzt meine Frau nach allen Seiten verkrallt auf dem Beifahrersitz, als würden wir nicht gemächlich in einer 30er-Zone durchs Viertel cruisen, sondern mit 200 Sachen über die Klippen rauschen.
An diese Gesamtverspanntheit meiner Liebsten könnte ich mich ja noch gewöhnen, aber nicht andas immer wieder unvorhersehbar auftretende «Ha!»-und-«Hu!»-Zusammenfahren, das mich nicht nur selber bis zum Lenkradverreißen erschreckt, sondern auch noch das Entsetzen meiner Frau weiter steigert, weil sie nun erst recht annimmt, dass ich den Fahrer mit dem zitronengelben Hemd im knallroten Toyota in der Nebenstraße übersehen habe, der mir a) sowieso Vorfahrt gewähren musste und b) das aufgrund seines noch durch die Frontscheibe durchsehbar unterwürfigen Charakters sogar tun würde, wenn ihm eine Polizei-Motorradeskorte den Weg frei halten würde. «Herrgott!! Ich hab ihn gesehen!», stieg ich zornig auf die Bremse, um meine Frau besser anschreien zu können. «Ich hab schon gewusst, dass ich ihn sehen würde, als ich eingestiegen bin. Hast du überhaupt kein Vertrauen?!»
Meine Frau sah mich grimmig an und wiegte unbestimmt den Kopf. Okay, ich habe vor Jahren ein einziges Mal zwei leicht berockte Fahrradfahrerinnen fröhlich an mir vorbeigewunken, um dann genauso fröhlich frontal in einen Opel zu knallen. (Das glaubt
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