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Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut

Titel: Ich kann nicht, wenn die Katze zuschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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bereite Dienstleistungsgesellen absolut keine Rolle spielten. Auch in äußerst breit angelegten Studien zur Faszination maskuliner Rollenbilder auf das andere Geschlecht, in denen man zwischen «Ich fühle mich a) zu Cowboys oder b) zu Indianern oder c) zu tapferen Schneiderleins besonders hingezogen» wählen könnte, würde das Letztere immer unangekreuzt bleiben. Danke, Omi! Du wolltest, dass ich meine Beobachtungsgabe schule, und du wusstest, dass man nur gut beobachten kann, wenn man allein am Rande einer johlenden Menge steht.
    «Ich weiß, was du jetzt denkst», brummte mein Cousin in den Schnauzbart und setzte sein Spitzenhäubchen auf. «Wie wär’s, wenn wir die Choreographie so weit verändern, dass ein Indianer den tanzenden Schwänen auflauert, dann könntest du endlich   …»

Gewaltfrei züchtigen
    Meine Frau leidet unter dem Heimkinder-Syndrom. Nicht, dass sie selber eines gewesen wäre. Nein, meine Frau entdeckt in fremden Kindern zwanghaft Spuren der Vernachlässigung, die es auszugleichen gilt, wenn das fremde Kind zum Spielen in unserem vorbildlichen Haushalt weilt. Zufrieden ist sie erst, wenn das fremde Kind beim Abendbrot sagt: «Kann ich für immer bei euch bleiben?» Dann fragt meine Frau zuckersüß: «Aber werden dann deine Eltern nicht sehr traurig sein?», und das Kind antwortet: «Die kommen schon klar!» oder so was.
    Diesmal hatte meine Frau beim kleinen Hannes Dinkelkeks einen himmelschreienden Süßbrausemangel, kombiniert mit einem Defizit an altdeutscher Sauberkeitserziehung, entdeckt und sofort korrigierend eingegriffen. Der Erfolg war überwältigend. Hannes Dinkelkeks, der garantiert zuckerfrei aufgezogen wird und nur bei Geburtstagen ein Löffelchen Steviapulver in seinen Lindenblütentee tun darf, flippte bei der Aussicht auf eine Anderthalbliterflasche Fanta regelrecht aus und wusch sich sogar mit Seife aus Tierkadaverabprodukten die Hände und kämmte sich auf Befehl meiner Frau einen Mittelscheitel, der mit Brillantine stabilisiert wurde. (Wenn meine Frau gekonnt hätte, hätte sie ihn auch nochmal komplett durchimpfen lassen.) Das vorhersehbare Ergebnis war, dass Hannes Dinkelkeks über Nacht zu bleiben begehrte. Dinkelkeksens wurden angerufen, informiert, dass ihr Sohn für eine Nachtder heimischen Ödnis entfliehen wolle, und beauftragt, alles Nötige vorbeizubringen. Dann verschwand meine Frau fröhlich, um mit einer Freundin halbnackten afrikanischen Trommlern beim Schwitzen zuzusehen.
    «Hier ist seine Schlafhaube», sagte Mutter Dinkelkeks eine Stunde später zu mir und kramte aus ihrem Jutebeutel eine Kopfbedeckung hervor, die ein bisschen aussah wie Hitlers Cabriokappe in kuschelweich. «Die bewirkt, dass er durchschläft.» Ich drehte die Haube auf meinen Zeigefinger. «Ewig geht das aber nicht. Da schieben sich später die Mädels lieber zwei Küchenstühle zum Schlafen zusammen, als mit Mister Haubentaucher das Bett zu teilen.» Mutter Dinkelkeks strafte mich mit Gleichgültigkeit. Nachdem noch die üblichen Beziehungsobjekte am Kissen verstaut waren (Ein schon ziemlich abgegriffenes Plüsch-Schaf sollte ihn die Nacht über an Mutter erinnern, was ich überzogen fand, denn die Dinkelkeksin sieht eigentlich noch ganz «passabel» aus. Wobei ich mich immer frage, was das für ein blödes Wort ist. Passiert bei passablen Damen noch was und bei den anderen nicht oder wie?), wollten die Kindlein noch eine Gutenacht-CD hören und schütteten die Musik-Kiste der Trollprinzessin ins Zimmer.
    Es war halb zehn. Orientierungslos und konzentrationsschwach wühlten sich die Kindlein durch den Überfluss. Mutter Dinkelkeks griff in die Tasche und zog ein siderisches Pendel hervor. «Soll ich euch eine CD auspendeln, ihr Schätzchen?» Die Kinder schrien hurra, und Mutter Dinkelkeks hockte sich über den Plastikhüllenhaufen und ließ das Pendel zittern.
    «Machst du das eigentlich immer?«, fragte ich die Dinkelkeksin. «Wenn man sich nicht entscheiden kann, ist Pendeln das Mittel der Wahl. Das Pendel zeigtnämlich unbewusste Präferenzen an.» . (Ihren Mann hatte sie noch ohne solche Hilfsmittel aussuchen müssen. Aber vielleicht kam ihr bei der Entscheidung entgegen, dass der Brave schon von selbst erheblich pendelte, als sie sich das erste Mal in einer Kneipe trafen.) Das Dinkelkeks’sche Pendel machte nach kurzem Hin und Her einen deutlichen Ausschlag in Richtung der Rolf-Zuckowski-CD, die eigentlich nicht gespielt werden darf, solange ich noch am Leben bin. Ich

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