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Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition)

Titel: Ich kann so nicht mehr arbeiten!: Freude und Sinn statt Seeleninfarkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Violetta Jung
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und handelten wie mein Lehrer vom Landgericht. Wie er wollte auch ich meinen Beitrag zur Gerechtigkeit leisten. Ich wusste, dass ich auf dem Weg dorthin auf mich allein gestellt sein würde. Meine Eltern waren in den Kriegswirren nicht über die neunte Volksschulklasse und eine Lehre hinausgekommen. Sie konnten mich weder beim Abitur noch im Jurastudium unterstützen. Ich musste alles selbst organisieren und finanzieren. Doch ich hatte mein Ziel deutlich vor Augen. An Hindernisse und mögliche emotionale Nöte verschwendete ich keinen einzigen Gedanken. Ich agierte kindlich naiv und suchte so lange den geeigneten Weg, bis ich ihn gefunden hatte.
    Nach dem Abitur begannen meine durch eine logisch-analytische Ausbildung geprägten Lehr- und Wanderjahre: Studium der Rechtswissenschaften nebst Promotion in Passau, Münster und Wuhan (VR China), Praktikum in Belfast, Rechtsreferendariat in Münster mit Ausbildungsstationen in Hamm, Hamburg und Hongkong, anschließend Tätigkeit als Wirtschaftsanwältin.
    Während meiner Ausbildungsjahre zur Volljuristin zeigten sich Risse im Idealbild von Recht und Gerechtigkeit aus den Tagen meines Rechtskundeunterrichts. Obwohl es nicht zu übersehen war, wollte ich es nicht wahrhaben. Das Studium empfand ich als trocken, zäh, wenig lebensnah und vor allem nicht den Menschen dienend. Hier wurden von Professoren, die teilweise sämtliche Details dessen, was in den Prüfungen abgefragt werden sollte, aus einem Manuskripttext ablasen und dies als Vorlesung bezeichneten, mit allen Feinheiten vertraute angehende Richter herangezüchtet. Das hatte für mich keine fühl- und nachvollziehbare Verbindung zum Alltag. Kurzum, ich fand mich hier nicht wieder. Diszipliniert und innerlich angespannt absolvierte ich das Studium nach dem Motto: »Beende, was du begonnen hast.« Eine Stelle als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftliche Mitarbeiterin meines Doktorvaters an einem international ausgerichteten Forschungsinstitut für Wirtschaftsrecht in Münster eröffneten mir während der Ausbildung indes neue Horizonte.
    In meinem Doktorvater entdeckte ich einen gebildeten, bescheidenen und fokussiert arbeitenden Menschen, der sich mit Vorliebe der Praxis und seinen Studenten widmete. Er brachte seine Mitarbeiter frühzeitig mit namhaften Rechtsanwaltskanzleien in Kontakt und verschaffte uns Lehraufträge an Berufsakademien. Von uns erwartete er, dass wir uns mit Fachaufsätzen in einem selbst gewählten Spezialgebiet profilierten. Damals schrieb ich zum ersten Mal gezielt für andere Menschen – Abhandlungen zum chinesischen Außenwirtschaftsrecht für Praktiker – und bekam dafür mein erstes Autorenhonorar. Ein erhebendes Gefühl. In dieser Zeit wandelte sich mein Berufswunsch, bedingt und inspiriert durch das Umfeld am Institut. Rechtsanwalt in einer großen Wirtschaftskanzlei, das war das Idealbild, das der Professor uns fast täglich vor Augen hielt. Wer sich zum Partner einer international tätigen Wirtschaftskanzlei aufzuschwingen vermochte, hatte es seiner Ansicht nach zu etwas gebracht. Und ich übernahm diese Ansicht.
    Zum Berufsweg eines international tätigen Wirtschaftsanwaltes gehörte nach seiner Vorstellung eine Doktorarbeit mit Auslandsaufenthalt und entsprechendem Bezug zu einer ausländischen Rechtsordnung. Während es meine Kollegen nach Nordamerika oder ins europäische Ausland zog, wählte ich die Volksrepublik China. Chinesisch lernte ich während der Semesterferien in einem Sprachinternat. Ich brannte darauf, in eine komplett andere Welt einzutauchen. Eine Welt, in der ich kulturell nichts verstand und nicht verstanden wurde. Meinen Forschungsaufenthalt an der Volksuniversität in Beijing bereitete ich sorgsam vor. Gemeinsam mit meinem Doktorvater knüpfte ich Kontakte zu wichtigen Hochschullehrern und dem Parteifunktionär der dortigen juristischen Fakultät. Doch das Leben hatte etwas anderes mit mir im Sinn.
    Die Studentenproteste im Sommer 1989 und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens machten mein Forschungsprojekt in dieser Stadt unmöglich. Die Chinesen akzeptierten in der Hauptstadt keine Ausländer, die Fragen stellten, nicht einmal wissenschaftliche. Eine Woche vor meiner Abreise nach China teilte der Deutsche Akademische Austauschdienst mir mit, dass ich mich zum Beginn des Studienjahres an der Universität in Wuhan einzufinden habe. Da ich über Beijing einreiste, sah ich die Spuren des mörderischen Kampfes mit eigenen Augen. Auf dem

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