Ich klage an
völlig übergangen. Bis sie »Scheißmarokkaner« geworden sind. Dann ist der Teufel los.
Rob Oudkerk hat in einem Interview mit dem Magazin HP /De Tijderklärt, daß einmal eine Muslima zu ihm in seine Hausarztpraxis gekommen sei und gesagt habe: »Es ist Gottes Wille, daß mein Mann so krank geworden ist.« Der Gedanke, daß das Leben in Gottes Hand liegt, kann vielleicht auf dem Sterbebett Trost bieten - er trägt aber auch dazu bei, daß man früher auf dem Sterbebett landet. Aber Rob Oudkerk hielt dies für eine »angenehme Überzeugung«. Er selbst glaubt nicht an Gott, aber er ist der Meinung, daß es angenehm sein müsse, an so einen Unsinn zu glauben. In Wirklichkeit sagt er damit: Sie haben Anspruch auf ihre eigene Rückständigkeit.
Den Ausschlag für meinen Wechsel zur VVD gab die Zusicherung des Parteivorsitzenden Zalm, man werde mir jeden Freiraum lassen, um die Integration und Emanzipation zugewanderter Frauen zu thematisieren.
Ich verstehe nicht, wieso mein Entschluß so viele Emotionen auslöst. Es sind Worte wie »Verrat« gefallen. Als wäre ich Mitglied einer kriminellen Vereinigung geworden. Obwohl die Unterschiede zwischen VVD und PvdA nach acht gemeinsamen Jahren in der violetten Koalition doch wirklich nicht schockierend groß sind. Ich verstehe, daß manche Menschen persönlich enttäuscht sind. Doch die Tatsache, daß die PvdA viel für mich getan hat, ist kein Grund, ihr auch dann noch treu zu bleiben, wenn ich ihre Standpunkte nicht mehr teile. Und warum tun alle so, als wäre es eine impulsive Entscheidung gewesen? Bereits im August habe ich zu verstehen gegeben, daß ich unzufrieden bin und wegwill.
Natürlich muß ich noch viel lernen. Mir ist klar, daß ich manchmal Kompromisse eingehen muß, daß ich lernen muß, strategischer zu denken und sorgfältiger zu formulieren, aber ich habe nicht vor aufzugeben. Ich lebe damit, den Preis dafür zahlen zu müssen. Wenn ich geschützt werde, habe ich die geistige Kraft weiterzumachen. Ich darf allerdings nicht zu viel zu schnell wollen. Meine Ungeduld ist meine Achillesferse: Ich möchte, daß es hier und jetzt passiert. Ich brauche Menschen, die mir sagen: »Morgen ist auch noch ein Tag.«
Ich weiß, daß mein Vater mich liebt, aber ich habe eine Entscheidung getroffen, die all seinen Überzeugungen diametral entgegensteht. Seine Äußerung in der Wochenzeitung Vrij Nederland— vorausgesetzt, sie ist wahr daß er nie telefonische Drohungen erhalten haben will, war für mich wie ein Schlag ins Gesicht. Nach jedem meiner öffentlichen Auftritte haben somalische Muslime bei ihm angerufen und sich beschwert. Zuerst hat er diesen Anrufen kaum Beachtung geschenkt. Einmal hat er mich allerdings gefragt, ob an diesen Geschichten etwas Wahres dran sei. Ich sagte ihm, daß ich für die Rechte der Frau im Islam eintrete. Er reagierte folgendermaßen: »Du kannst eintreten, wofür du willst, solange du es in Gottes Namen tust.« Die Tatsache, daß ich mich nun in aller Öffentlichkeit von Gott abgewandt habe, stellt für ihn eine große, fast unverzeihliche Enttäuschung dar. Ich besudele den Islam und damit auch seinen Namen und seine Ehre. Das ist der Grund, warum er sich von mir abkehrt. Er tut mir leid, zugleich aber bin ich wütend. Ich beende das Buch, an dem ich gerade arbeite, mit einem offenen Brief an ihn. Darin werfe ich ihm vor, daß er seine Kinder nicht bedingungslos liebt. Jedesmal, wenn er zwischen der Gemeinschaft und seinen Kindern wählen muß, entscheidet er sich für die Gemeinschaft. Das tut weh.
Ich hänge sehr an meinem Vater. In den kurzen Phasen, in denen er sich im Kreis unserer Familie aufhielt, war er außerordentlich lieb zu mir und lobte mich immer wieder überschwenglich. Außerdem hat er einige Dinge geregelt, für die ich ihm bis heute dankbar bin. Beispielsweise war meine Mutter dagegen, daß meine Schwester und ich in Äthiopien zur Schule gingen; schließlich werde man doch in ein paar Jahren einen Mann für uns finden, so daß uns das ganze Wissen nichts nützen werde. Wir sollten uns lieber um den Haushalt kümmern. Doch mein Vater bestand darauf, daß wir die Schule besuchten. Er sagte, er werde meine Mutter für immer verfluchen, wenn sie uns das verbieten würde. Darüber hinaus hat er sich vehement gegen unsere Beschneidung gesträubt. Er weiß nur nicht, daß meine Oma sie hinter seinem Rücken trotzdem durchgesetzt hat.
Mein Bruder, meine Schwester und ich warfen ihm allerdings vor, daß er ständig
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