Ich koch dich tot: (K)ein Liebes-Roman
erben würde und seine Schwester die scheußlichen Ölgemälde. Sonst nichts.
»Verehrte Frau Bernburg«, schloss der Notar, »abgesehenvon den persönlichen Erinnerungsstücken, die Ihr Gatte seinen Kindern zugedacht hat, sind Sie damit Alleinerbin des Reihenhauses sowie des Barvermögens. Das mag Ihnen im Moment unwichtig erscheinen angesichts des unwiederbringlichen Verlustes, den das Hinscheiden Ihres Ehemanns bedeutet. Doch seien Sie gewiss: Ihre Existenz ist damit gesichert.«
»Nein!«, kreischte Inge-Gundula. Mit ihrem mageren Zeigefinger stach sie in Vivis Richtung. »Du Hexe! Wie hast du ihn dazu gebracht?«
»Das wird ein juristisches Nachspiel haben«, erklärte Hans-Peter hasserfüllt. »Ein sehr unerfreuliches Nachspiel.«
Berthold Seitz faltete das Testament zusammen. »Dies ist der Letzte Wille Ihres Herrn Vaters, den es zu respektieren gilt.«
»Ich respektiere ihn«, hauchte Vivi. »Werners Wunsch ist mir Befehl, auch über den Tod hinaus.«
Kapitel drei
Die Beerdigung war schon zwei Wochen her, aber Vivi war weit davon entfernt, ihre neue Freiheit zu genießen. Manchmal schreckte sie abends auf, weil sie dachte, dass Werner gleich nach Hause käme. Dann wieder brütete sie stundenlang vor sich hin, ob sie seinen Tod hätte verhindern können.
Nachts plagten sie Alpträume. Dann erschien Werner in seiner verfusselten Strickweste und jagte ihr einen Schrecken nach dem anderen ein. Ganze Salven von Schuldgefühlen feuerte ihr Unterbewusstsein auf sie ab und erfand immer neue, perfide ausgeklügelte Horrorfilme. Wenn sie dann schweißgebadet hochschreckte, weinte sie sich erst nach Stunden in den Schlaf und wachte am nächsten Morgen mit Kopfschmerzen auf.
Erschwerend kam hinzu, dass sie unter permanenter Beobachtung stand. Seit der Trauerfeier klingelten dauernd unangemeldete Gäste an der Tür, um ihr einen Beileidsbesuch abzustatten. Unablässig kochte sie Kaffee, servierte Schnittchen und ließ jede Menge verlogener Geschichten über Werner über sich ergehen. Er genoss mittlerweile den Ruf eines Heiligen. Vermutlich würde man ihr demnächst erzählen, dass er über Baggerseen gelaufen war und Wasser in Wein verwandelt hatte.
Stoisch nahm sie alles hin. Die Rolle der untröstlichen Witwe war ihr in Fleisch und Blut übergegangen. Niemand zweifelte daran, dass sie einen schweren Schicksalsschlag erlitten hatte, von dem sie sich nur langsam erholen würde, wennüberhaupt. Niemand ahnte, was Werner wirklich mit Anlauf ins Jenseits gekickt hatte.
Vivi war auf der sicheren Seite. Dennoch fühlte sie sich wie ein Vogel, der aus dem Nest gefallen war. Sie hatte keinerlei Erfahrung mit dem Alleinleben, dafür hatte sie zu früh geheiratet. Auf Werners Schreibtisch stapelten sich Briefe von Versicherungen, Anwälten und Banken. Das meiste schickte Vivi ungeöffnet an Berthold Seitz weiter. Sie war schlicht überfordert.
Einmal in der Woche besuchte sie den Notar, der Vivi in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt auch in dem Prozess vertrat, den Hans-Peter inzwischen losgetreten hatte. Beklommen stellte sie fest, dass der reichlich arrogante Jurist ein Auge auf sie geworfen hatte. Nie verließ sie die Kanzlei, ohne dass er ihr ein Glas Sherry aufgedrängt hätte. Die Gespräche mit ihm dauerten länger und länger, und je ausgiebiger Berthold Seitz ihr die Rechtslage erläuterte, desto weniger verstand Vivi. Sie begriff nur, dass er weit mehr als ein professionelles Interesse an ihr hatte, dem sie betont kühl begegnete.
Durch diese Besuche wurde ihr allerdings klar, dass sie keinen Schimmer von der Realität hatte. Das machte ihr Angst. Anfangs hatte sie gedacht, ein Leben ohne Mann sei wie ein Hochseilakt ohne Netz. Jetzt stellte sie fest, dass es nicht einmal ein Seil gab. Ihre einzige Strategie bestand darin, sich zu verbarrikadieren. Sämtlichen Freunden, Verwandten und Bekannten schickte sie vorgedruckte Karten mit der Bitte, von weiteren Beileidsbesuchen freundlichst abzusehen. Telefonate beschränkte sie auf ein Minimum. Nur mit Ela sprach sie von Zeit zu Zeit.
Immerhin hatte Vivi sich nach und nach die Umgestaltungdes Reihenhauses erlaubt. Statt der durchgesessenen braunen Couch stand mittlerweile ein lachsfarbenes Ledersofa mit passenden Sesseln im Wohnzimmer. Die Ölgemälde hatte sie Inge-Gundula schicken lassen und durch duftige Blumenaquarelle ersetzt. Auch das Ehebett war rausgeflogen. Jetzt stand im Schlafzimmer ein Himmelbett, das einer Prinzessin würdig gewesen wäre. Na ja,
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