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Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)

Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)

Titel: Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Martin
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ist Tichow. Der Ukrainer fiel mir auf einem schlechten Foto ins Auge, das offensichtlich in aller Eile aufgenommen worden war. Ein typischer, leicht unscharfer Schnappschuss einer frühen Handykamera. Tichow, der nur im Profil zu sehen war, nahm — zusammen mit einem anderen Mann — eine Lieferung Heroin in Empfang, die in einem Toyota Pick-up verbaut war. Dabei rauchte er eine Zigarette. Für wen Tichow arbeitete, wusste ich damals noch nicht. Ich hatte keine Ahnung, wer er war. Trotzdem zog er sofort meine Aufmerksamkeit auf sich.
    Seit geraumer Zeit schon versuchten wir in das Netzwerk um Wladimir L. einzudringen. Uns lag viel daran, seine Machenschaften und seine Organisation auszuleuchten, denn sein Einflussbereich in Deutschland wuchs beunruhigend. Schon beim ersten Blick auf Tichow hatte ich das Gefühl, das könnte der Mann sein, der uns Zugang zu Wladimirs Kreis verschaffte. Man kann so etwas Intuition nennen. Das ist keine geheimnisvolle Begabung; Intuition basiert auf Erfahrungswerten und Wahrnehmungen, die im Unterbewusstsein gespeichert sind. Bewusst haben wir keinen Zugriff darauf, doch das Wissen ist vorhanden, und wer sich einen Kanal freihält, damit die Botschaften durchkommen, kann die entscheidenden Impulse empfangen. Oft reagieren wir auf solche Hinweise auch, ohne es in diesem Moment bewusst zu merken. Meiner Erfahrung nach führt die Intuition zu einer höheren Trefferquote, als wenn ich mich
lediglich auf meine Vernunft verlassen würde. Nicht umsonst gilt es landläufig als Lob, wenn über einen Menschen gesagt wird: Er hat einen guten Instinkt. Dieser gute Instinkt hilft uns dabei, Entscheidungen zu treffen. Gerade im Fall von Entscheidungen gehört Unsicherheit bei vielen Menschen zur Tagesordnung. Ich selbst war mir bei den meisten Entscheidungen in meinem Berufsleben auch nicht zu hundert Prozent sicher. Der beste Weg ist es, sich in einer ersten Informationsphase einen Überblick zu verschaffen und dann sofort eine Entscheidung zu treffen. Ob man richtig entschieden hat, weiß man sowieso erst im Nachhinein — wenn überhaupt. Anstehende Entscheidungen sollten daher niemals lange aufgeschoben werden. Wäre-hätte-könnte-wenn ist reine Zeitverschwendung. Wer auf seine Intuition achtet, nimmt eine Abkürzung.

Die rote Mappe
    Es war an einem Donnerstagabend kurz nach zwanzig Uhr, als ich einen Bericht abgeschlossen hatte: Ein Treffbericht mit Potenzialbewertung zu einem V-Mann in der Kultivierungsphase, wie der Prozess der Vertrauensbildung genannt wird, in dem die Regeln der Zusammenarbeit etabliert werden. Es war sehr warm im Büro; vor wenigen Tagen noch hatten sich alle über den ins Wasser gefallenen Sommer beklagt, und jetzt stöhnten viele wegen der Hitzewelle. Wie fast jedes Jahr schrieben die Zeitungen vom Jahrhundertsommer. Wenigstens ein kleines Stück davon wollte ich auch genießen und freute mich auf ein kühles Bier mit Freunden, als ich Schritte im Gang hörte. Der Sound versprach etwas Besonderes. Ich liebte Sabines Faible für Schuhe. Wie hoch die Stilettos heute wohl sein mochten? In dem Moment klopfte es, kurz und energisch, und schon steckte Sabine ihren Kopf durch den Türrahmen. Leider nur den Kopf. Die Beine ließ sie im Flur.
    »Störe ich?«, fragte sie, als könnte das möglich sein.
    »Du? Nie!«, gab ich mit einem breiten Grinsen zurück.
    »Ausgezeichnet«, nickte sie und schwebte in mein Büro. Auf Waffen. Allein das: ein Kunststück! Eine rote Mappe verdeckte ihr sommerliches Dekolleté.
    »Na klasse!«, entfuhr es mir, was sich weder auf ihre Schuhe noch auf die üppigen Aussichten bezog. Rote Mappen bedeuteten Arbeit: sofortige Einsatzbereitschaft, Urlaubssperre. Davon wollte ich heute Abend nichts wissen. In meinem Lieblingsbiergarten war um zweiundzwanzig Uhr Feierabend.
    Nur dringliche Angelegenheiten werden in rote Mappen gepackt. Sie landen niemals im Postfach, sondern werden ausschließlich persönlich übergeben, von Hand zu Hand. Rote Mappen werden sofort gelesen – ohne Ausnahme. Sabine legte die Mappe auf meinen Schreibtisch. »Auf der Merw-Route zeichnet sich eine interessante Entwicklung ab. Es könnten Russen hinter den Transporten stecken.«
    »Russen auf der Merw-Route?«, fragte ich gespannt. Die Merw-Route, benannt nach dem gleichnamigen Ort in Turkmenistan, wurde seit einiger Zeit von uns überwacht. Über sie gelangte hochwertiges afghanisches Heroin nach Deutschland.
    »Sieht so aus. Das Meldeaufkommen hat sich in den letzten

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