Ich krieg dich!: Menschen für sich gewinnen - Ein Ex-Agent verrät die besten Strategien (German Edition)
er nun gar nicht kommt? … Wenn er Marielle nicht so mag wie sie ihn? … Wenn er eine andere hat … Das wäre ja nicht das erste Mal, dass ihr so etwas passiert!
Als es um 19.30 Uhr an der Tür klingelt, ist Marielle fix und fertig. Sie hat alle Horrorszenarien, die sie kennt, mehrfach mit allen Schikanen durchlitten. Kein Wunder, dass ihr Empfang eher frostig ausfällt. Jürgen entschuldigt sich nicht für sein Zuspätkommen, was Marielle, die vergessen hat, dass keine Uhrzeit verabredet war, noch mehr ärgert. Und dann will er auch kein Chili. Gibt es einen deutlicheren Beweis dafür, dass er nicht in sie verliebt ist? Das wird Marielle sich nicht bieten lassen! Der soll bloß nicht glauben, dass sie jemals auch nur eine Spur in ihn verknallt war! Marielle passt ihr Verhalten ihren Interpretationen an, die wiederum aus ihren gefilterten Wahrnehmungen resultieren. Marielle hat wahrgenommen: Jürgen ist zu spät. Er isst kein Chili. Außerdem sitzt er so komisch auf dem Stuhl. Als wäre er auf dem Sprung.
Hat Marielle Recht?
Nein. Jürgen hat Gallensteine und möchte dieses scharf gewürzte Chili, das ihm schon im Hausflur die Tränen in die Augen getrieben hat, lieber nicht essen. Und von seinen Gallensteinen möchte er nicht sprechen. Das ist ein Date, keine Visite! Und überhaupt: So cool, wie die ihn abfertigt, hat sie anscheinend sowieso kein Interesse an ihm. Wahrscheinlich ist er auch viel zu früh gekommen. Wenn man Abend sagt, meint man wohl eher zwanzig Uhr als 19.30? Er war mal wieder zu ungeduldig. Er hat eben ständig Pech. Das ist ja nichts Neues. So ist das immer bei ihm. Die Frauen, die er gut findet, wollen nichts von ihm wissen. Und dabei ist er so verliebt, wie schon lange nicht mehr. Aber das wird nichts bei ihm. Er ist nun mal kein Frauentyp, und wahrscheinlich ist es das Beste, sich endlich damit abzufinden.
Unsere Wirklichkeit ist nicht zwingend die Wirklichkeit von anderen. Die Art und Weise, wie wir Situationen bewerten und interpretieren, schafft eine neue Realität. Wir verhalten uns dementsprechend, und unser Gegenüber reagiert darauf. Je nachdem, für welche Vorgehensweise Sie sich entscheiden: Sie wird Konsequenzen haben. In der Regel wird das Ihre Bestätigung sein, auf die Sie schon gewartet haben. Ihre Erwartung wird zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Sie haben immer Recht. Und wenn es einmal anders ist, dann ist das eben die berühmte Ausnahme von der Regel.
»Menschliches Verhalten ist von seiner Natur her sozial und kann daher nur als Handeln in Bezug auf seine eigene Umwelt verstanden werden. Dies bedeutet, dass die Situation, der Kontext, die zwischenmenschliche Beziehung und die persönlichen Erfahrungen dazu beitragen, wie etwas wahrgenommen und verarbeitet wird. Man sollte daher nicht nur sein Gegenüber versuchen zu kennen und sein Verhalten zu verstehen; vielmehr sollte man zusätzlich das geeignete Verhaltens- und Wahrnehmungsumfeld erkennen.«
Quelle: Nachrichtendienstpsychologie, Band 3
Gott sei Dank gibt es auch stärkende Glaubenssätze wie etwa: Ich schaffe alles, was ich mir vorgenommen habe. Ich komme leicht mit anderen Menschen in Kontakt. Ich bin ein Stehaufmännchen.
Von diesen positiven Sätzen können Sie gar nicht genug sammeln!
Wenn Sie mal in einer Runde zusammensitzen, fragen Sie andere, was sie sich unter einem gelungenen Urlaub vorstellen. Oder unter einem tollen Abend, einem Superjob, einem Traumauto.
Wetten, dass Sie viele unterschiedliche Antworten bekommen werden? Für die eine muss bei einem Superjob vor allem das Gehalt stimmen, für den anderen ist es wichtig, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, für einen Dritten spielen flache Hierarchien die Hauptrolle und eine Vierte wünscht sich einen Chef, der Verständnis hat, wenn das Kind mal krank ist.
Zweck dieser kleinen Umfrage ist die Sensibilisierung dafür, dass andere Menschen möglicherweise eine andere Vorstellung von gewissen Dingen haben als Sie selbst. Agenten gehen noch einen Schritt weiter. Sie wissen nicht nur, dass das so ist: Sie versetzen sich in ihr Gegenüber hinein, um seine Perspektive zu erkennen und nehmen diese Perspektive dann ebenfalls ein. Dies ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um schnell in guten Kontakt zu kommen. In der Kriminalistik nennt man diese Methode Krim-Ego-Transfer. Darunter versteht man, sich in die Person des Täters hineinzuversetzen. So zu fühlen, so zu denken, so zu handeln, wie der Täter das mutmaßlich getan hat. Das
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