"Ich laufe, um zu laufen ...": Eine Frauen-Laufen-Anthologie (German Edition)
den Verpflegungsständen, an denen freundliche Helfer unermüdlich Wasser, Iso und Bananen ausgaben. Mittlerweile hatten Ulf und ich unseren Runners-High. Wir überholten einen Läufer nach dem anderen. Die Teilung in Marathon und Halbmarathon stand an. Normalerweise laufe ich ja immer den Lauf zu Ende, für den ich mich auch angemeldet habe. Aber leider bog keiner mehr zum Marathon ab und die Vorstellung, noch einmal 21 Kilometer allein an übernächtigten Touristen und frierenden Spaniern ohne Regung vorbeizulaufen, erschien mir nicht verlockend. Da schien es doch einladender, auf dem Sofa im TUI-VIP-Zelt zu sitzen und zu essen. Aber jetzt erwachte Ulfs Ehrgeiz. Ich ließ mich also überreden, mit ihm gemeinsam den ganzen Marathon zu laufen. Für ihn auch eine Herausforderung, weil er noch nie einen Marathon gelaufen war. Wir bogen also ab zum Marathon. Was wir nicht wussten, war, dass uns jetzt zunächst einmal acht Kilometer auf einer vielbefahrenen Straße neben der Autopista erwarteten. Anfangs waren wir noch guter Dinge. Wir ignorierten den Zuruf eines entgegenkommenden Läufers. Er sagte: Wir hätten noch einiges vor uns. Auf dieser Straße lernten wir in der Stunde, die wir verbrachten, dass man für einenMöbelladen nur einen schäbigen Hof braucht, das Deutschland wohl nicht in Europa liegt und dass man bei Fingerhandschuhen lieber nachzählen sollte, ob alle Finger dran sind. Nach dreißig Kilometern und genau vier Stunden erreichten wir El Arenal. Auch hier erfuhr ich Erstaunliches. Es ist gar nicht so einfach, am Ballermann etwas zu trinken zu bekommen. Leider war der Verpflegungsstand schon abgebaut, und es kann auch ganz schön einsam dort sein am.
Jetzt wurde es aber wenigstens landschaftlich traumhaft schön. Wir hatten noch 12 herrliche Kilometer auf der Strandpromenade vor uns. Der nächste Verpflegungsstand war leider auch schon fast abgebaut. Es gab keine Isogetränke mehr. Die Sonne schien mittlerweile und es wurde warm. Wenigstens nahmen wieder ein paar Leute von uns Notiz. Leider ging es mir jetzt nicht so gut. Erstaunlich, das kenne ich sonst bei Kilometer 34 nicht. Da blühe ich eigentlich schon wieder auf. Netterweise baute mich Ulf immer wieder auf. Ich versprach ihm, dass wir bis 15 Uhr gemütlich im VIP-Zelt beim Bier sitzen würden. Dann endlich Kilometer 41, aber statt Teufelslappen erwartete uns die Kehrmaschine. Man war schon mit den Abbauarbeiten beschäftigt. Netterweise feuerten uns aber Gabelstapelfahrer und andere Arbeiter an. Noch 300 Meter bis zum Ziel. Wir erreichten den traumhaften schönen Zieleinlauf, links die Kathedrale von Palma, und liefen übers Wasser ins Ziel. Ich hatte aber nur Augen für die Uhr. 5:58, als wir um die Ecke bogen. Versprechen muss man einhalten. Ich setzte zum Endspurt an, aber nun schwächelte Ulf. Wir sollten jetzt aber auch gemeinsam ins Ziel laufen. Er hatte mich die ganze Zeit motiviert. Um genau 15 Uhr und 18 Sekunden erreichten wir das Ziel. Wir waren "just in time" und nicht die letzten. Mein Mann und die Frau, die für mich als Gewinnerin zuständig war, standen einsam imZiel und durchs Mikrofon wurde unsere Ankunft auch noch bekannt gegeben. Nach der Medaillenübergabe ging es nun endlich ins VIPZelt. Obwohl auch hier schon Abbaustimmung herrschte, war ich froh, nicht schon drei Stunden vorher hier gewesen zu sein. Mir wären schöne 21 Kilometer entgangen.
Cornelia Bullig
Über 207km beim 24-Stundenlauf
Ich habe das Laufen erst mit 35 Jahren begonnen. Bis dahin war ich – von meiner Schulzeit einmal abgesehen – unsportlich und vor allen Dingen: Vielraucher. Nachdem ich dann einmal den Entschluss gefasst hatte, die Glimmstengel wegzulassen, wollte ich natürlich nicht dick werden. Also habe ich mich im Fitness-Studio angemeldet und mit dem Laufen angefangen. Das Ganze immer zusammen mit meinem Ehemann Sigi.
Als geborene Düsseldorferin habe ich als ersten „Wettkampf“ den vier Kilometer Kö-Lauf im August 1993 in Angriff genommen, es folgten unmittelbar danach zehn Kilometerläufe sowie im September des gleichen Jahres der Berlin-Marathon. Im Frühjahr des darauffolgenden Jahres hörten wir das erste Mal von Läufen, die länger als Marathon sind. Für mich damals unvorstellbar, fand ich doch Marathon schon mehr als grandios. So fuhren Sigi und ich zum 6- Stundenlauf nach Stein in den Niederlanden. Die Erfahrungen mit immer längeren Läufen nahmen zu, ich bestritt den ersten 12-, dann 24-Stundenlauf usw. usw. Nach einem
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