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Ich lebe lebe lebe - Roman

Ich lebe lebe lebe - Roman

Titel: Ich lebe lebe lebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison McGhee
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T., wie er ist, auch mit seinen Fragen nach Zuchthäusern.
    »Stellen Sie sich vor, Sie sind in einem Zuchthaus und bekommenIhre tägliche Essensration«, sagt William T. »Drei Stück Brot und einen Stich Butter.«
    »Butter? Im Zuchthaus? Ich fürchte, Sie machen sich falsche Vorstellungen, William T.«
    »Sie dürfen das nicht so wörtlich nehmen, Angel. Ein bisschen Fantasie. Also – Ihre tägliche Ration besteht aus drei Stückchen Brot und einem kleinen Stich Butter.«
    »Und?«
    »Und – wie essen Sie die Butter? (a) Sie streichen sie dick auf ein Stück Brot und essen die anderen beiden trocken. (b) Sie streichen sie gleichmäßig auf alle drei Stücke, aber so dünn, dass Sie kaum etwas von der Butter schmecken. Oder (c), Sie heben die Butter auf, Tag für Tag, bis Sie am Ende der Woche Ihre drei Stück Brot richtig dick mit Butter bestreichen können?«
    Angel legt den Kopf schief und denkt über die Möglichkeiten nach, die man theoretisch in einem Zuchthaus mit Brot und Butter hätte.
    »Ha!«, sagt William T., »das war eine Fangfrage. Ich weiß schon, wie Sie Ihr Brot essen würden.«
    »Nämlich?«
    »Antwort (b). Sie bestreichen alle drei Stücke gleichmäßig, aber so dünn, dass Sie kaum etwas von der Butter schmecken.«
    »Stimmt! Genau so würde ich's machen. Sind Sie Hellseher, William T.? Seien Sie ehrlich.«
    »Das bin ich in der Tat«, sagt William T. »Ich kann es nicht leugnen. Ich weiß auch, wie unsere Kleine hier ihr Brot essen würde. Sie würde ihre winzigen Mengen Butter die ganze Woche über aufsparen, und dann würde sie ihre drei Stück Brot richtig dick mit Butter bestreichen. Ich hab doch recht, Kleine, oder?«
    Ja. Er hat recht.
    »Bekomme ich jetzt den Vogel des Tages gratis? Zur Belohnung?«, fragt Angel.
    »Und ob, Angel. Der Vogel des Tages ist die Schwarzkopfmeise.«
    »Eine Meise? Haben Sie die extra für mich ausgewählt, William T.?«
    »Möglicherweise«, antwortet William T. »Möglicherweise hab ich das.«
    Angel und er lächeln. Es macht ihnen Spaß, miteinander zu flirten.
    Es ist ein Flirt ohne Risiko, denn Angel liebt ihren Mann, und William T. liebt Crystal. Ich flirte mit niemandem. Ich weiß gar nicht, wie man das macht, im Unterschied zu Ivy, die dauernd mit Joe Miller geflirtet hat. Kann es sein, dass manche Menschen schon mit diesem Wissen zur Welt kommen?
    »›Kleine umherziehende Schwärme von Schwarzkopfmeisen‹«, liest William aus seinem Vogelbuch vor, »›sind oftmals das intensivste Anzeichen für Leben in kahlen Winterwäldern.‹«
    Vor Ivys Fenster ist kein kahler Winter mehr. Das Gras ist jetzt grün, so viel grüner als Anfang April, als Ivy hergebracht wurde. Das ärgert mich. Wie kannst du nur so grün sein, Gras, wenn meine Schwester dich doch nicht sehen kann? Hör auf ! Hör auf, so schön zu sein, so lebendig, so gottverdammt grün. Hör auf zu wachsen. Blödes, idiotisches, schönes Gras.
    William T. war bei mir, als der Arzt mir das Röntgenbild zeigte.
    »Das ist eine ungeheuer große intraparenchymale Hämorrhagie«, hat der Arzt gesagt. »Davon kann sie sich nicht erholen.«
    »Aber sie hat mit mir gesprochen«, habe ich ihm gesagt. »Sie hat gesprochen, gleich nachdem es passiert war.«
    »Ja«, hat er geantwortet. »Da war die Schwellung noch nicht so ausgeprägt. Das luzide Intervall nennen wir das, den lichten Augenblick.«
    Sie war fast hirntot, aber nicht ganz. Das sagten sie. Sie machte die Augen nicht auf; sie bewegte die Augen nicht, wenn man ihr die Lider öffnete und die Augen mit einem Wattestäbchen berührte. Sie würgte nicht, und sie schaute auch nicht zur Seite, wenn man ihr Eiswasser ins Ohr goss. Sie haben die Beatmungsmaschine abgestellt, und wir haben gewartet.
    Gewartet.
    Gewartet.
    Gewartet.
    Dann hat sie versucht zu atmen.
    »Sie hat einen Atemantrieb, wenn auch einen ganz schwachen«, sagten sie. »Aber eins musst du verstehen: Von ihrem Hirntrauma wird sie sich nie mehr erholen.«
    Dann kam die Frau mit den Locken ins Wartezimmer und fragte wegen Ivys Herz. Ivys Leber. Ivys Nieren.
    »Nein«, sagte meine Mutter.
    Also ließen sie Ivy am Leben. Meine Mutter konnte sie nicht loslassen.
    Hätte ich es gekonnt – sie loslassen? Wenn jemand nicht meine Mutter, sondern mich gefragt hätte, wenn die Entscheidung bei mir gelegen hätte – Was sollen wir tun: das Herz deiner Schwester weiter schlagen lassen oder sie gehen lassen? –, was hätte ich geantwortet? Der Gesichtsausdruck meiner Mutter war fest

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